Sternentstehung in galaktischen Zentren (Originalartikel vom 29.03.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine Infrarot-Aufnahme des IRAC/Spitzer-Weltraum-Teleskops vom Zentrum unserer Galaxis. Das infrarote Licht dringt durch einen Großteil des Staubs und ermöglicht einen Blick auf die Sterne der dicht bevölkerten galaktischen Zentralregion. Ältere, kühle Sterne sind blau; rötliche Staubwolken gehören zum Umfeld junger Sterne in stellaren Kinderzimmern. Das galaktische Zentrum liegt etwa 26.000 Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbilds Sagittarius. Das Bild erfaßt eine als Zentrale Molekulare Zone bezeichnete Region, und neue Simulationen scheinen einige der Rätsel um die Natur und Entwicklung von Molekülwolken in dieser Zone zu lösen.
Susan Stolovy (SSC / Caltech) et al., NASA Spitzer / IRAC

Sterne bilden sich aus dem Gas und Staub in Molekülwolken durch eine Abfolge von komplexen Prozessen, die derzeit nur teilweise verstanden sind, und die Entwicklung dieser Wolken treibt die Entwicklung der stellaren Populationen im Universum an. Astronomen, die die Entstehung von Sternen untersuchen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf wenige, ausgewählte Regionen reger Sternbildung konzentriert: das Umfeld der Sonne, die Scheibe der Milchstraße und die benachbarten Magellanschen Wolken. Diese Auswahl an Umwelten ist jedoch begrenzt und für die Bedingungen nicht repräsentativ, unter denen sich die meisten Sterne im Universum bildeten. So sind etwa die Dichten, Drücke und Gasbewegungen in diesen lokalen Umfeldern um einiges geringer als jene, die man für die Zeit des Höhepunkts kosmischer Sternentstehung vor ungefähr zehn Milliarden Jahre vermutet. Hinzu kommt, daß es die ausgewählten Regionen mit ihren unterschiedlichen Bedingungen schwierig machen, Entwicklungseffekte aufzulösen.

Neuere Durchmusterungen der galaktischen Ebene in einem breiten Spektrum an Wellenlängen mit Einrichtungen wie dem Submillimeter Array und den Teleskopen von ALMA ermöglichten es, Entwicklung von Wolken und Sternentstehung in der Zentralen Molekularen Zone (ZMZ) zu untersuchen, den zentralen 1.500 Lichtjahren der Milchstraße, deren extreme physikalischen Bedingungen denen zur Blüte der kosmischen Sternentstehung nahezu gleichen. Eric Keto und Qizhou Zhang vom CfA führten mit ihren Kollegen eine Reihe an Computersimulationen von massereichen Molekülwolken in einer ZMZ-Umgebung mit dem Ziel aus, deren morphologische und kinematische Entwicklung zu beschreiben, während sie das galaktische Zentrum in dieser dichten, komplexen Region umkreisen. Diese Berechnungen sind die ersten, die eigens darauf abzielten, die Wolken in den Ausläufern der ZMZ zu modellieren und wurden entwickelt, die so erhaltenen künstlichen Wolken mit kürzlich gemachten Beobachtungen zu vergleichen.

Das Team hat festgestellt, daß das Umfeld der ZMZ bewirkt, daß die Wolken zusammengepreßt werden, aufgrund von Druck- und Schwerkräften fragmentieren und Merkmale wie Filamente und sich drehende, scheibenartige Strukturen entwickeln. Die Simulationen können wesentliche, beobachtete Besonderheiten wie den „Ziegelstein“, eine sehr dichte, abgeflachte Molekülwolke, nachbilden, dem es, trotz seiner Gasdichte, an Sternentstehungsaktivität fehlt; die Simulationen können dessen allgemeine Gestalt, Neigung sowie Geschwindigkeitsgradienten nachstellen. Die Ergebnisse offenbaren, daß die Entwicklung von Molekülwolken nahe von galaktischen Zentren eng mit ihrer Umlaufdynamik verbunden ist. Einhergehend mit Akkretion von Gas können sich diese Wolken weiterentwickeln, um Sternentstehungsausbrüche hervorzubringen, die in vielen galaktischen Kernen zu beobachten sind.

Literatur:

„The Dynamical Evolution of Molecular Clouds near the Galactic Centre – II. Spatial Structure and Kinematics of Simulated Clouds“

J. M. D. Kruijssen, J. E. Dale, S. N. Longmore, D. L. Walker, J. D. Henshaw, S. M. R. Jeffreson, M. A. Petkova, A. Ginsburg, A. T. Barnes, C. D. Battersby, K. Immer, J. M. Jackson, E. R. Keto, N. Krieger, E. A. C. Mills, Á. Sánchez-Monge, A. Schmiedeke, S. T. Suri, and Q. Zhang

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 484, 5734–5754 (2019)

oder

arXiv:1902.01860v2 [astro-ph.GA] 7 Feb 2019