Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Der Satellit Kepler ist für seine Entdeckung von Tausenden von Exoplaneten durch pausenlose und minutiöse Messung der Helligkeiten von über einer halben Million Sterne auf der Suche nach den Fingerabdrücken von transitierenden Exoplaneten bekannt. Weniger bekannt sind die revolutionären Folgen seines Überwachungsprogramms zur stellaren Astrophysik, insbesondere die Untersuchung der stellaren Schwingungen. Von unserem eigenen Stern, der Sonne, ist seit den 1960-ern bekannt, daß sie Schwingungen besitzt, die denen einer läutenden Glocke analog sind, wo Druckwellen durch die Schwingbewegung und innere Struktur der Glocke erzeugt, um ihre Oberfläche kreisen. Die Schwingungen, bzw. Oszillationen, können untersucht werden, um Einzelheiten über die inneren Strukturen eines Sterns herauszufinden. Rote Riesen, die sich in einem Abschnitt der Sternentwicklung befinden, wo das übliche Wasserstoffbrennen beendet und ihr Durchmesser angeschwollen ist, sind von besonderem Interesse, da die Schwingungen an ihren Oberflächen langsamer sind und größere Amplituden als kleinere Sterne aufweisen und folglich leichter zu messen sind. Jedoch waren vor dem Aufkommen von Weltraum-Teleskopen auch an Roten Riesen solche Messungen nur bei wenigen Objekten erfolgreich. Die Missionen Kepler und Corot haben seitdem Schwingungen bei Tausenden von Roten Riesen vermessen.
Die Kepler-Mission entdeckte eine neue Klasse von Doppelsternsystemen, die Anzeichen einer Deformation durch Gezeitenwirkung an ihren Oberflächen (und ihrer Lichtkurve) zeigten, wenn der Begleiter dicht vorbeizog; diese Systeme hat man „Herzschlag“-Sterne genannt. Die räumliche Anordnung der Deformationen kann genutzt werden zu helfen, Einzelheiten der Umlaufbahn im Binärsystem zu verfeinern, auch wenn der Begleitstern nicht durch unsere Sichtlinie läuft, um den anderen Stern zu bedecken. Einige Rote Riesen mit sonnenähnlichen Oszillationen sind ebenfalls Herzschlag-Sterne, und die „Herzschläge“ in Verbindung mit Geschwindigkeitsmessungen erlauben es, diese Systeme sehr genau zu charakterisieren.
Der Stern KOI-3890 ist solch ein Binärsystem. Es besteht aus einem Roten Riesen und einem M-Zwerg in einer stark exzentrischen, 153 Tage währenden Umlaufbahn, und Kepler beobachtete das System nahezu ununterbrochen für annähernd vier Jahre. Die CfA-Astronomen Allyson Bieryla und Dave Latham gehörten zu einem Team, das deren Herzschlag und Schwingungen mit einer neuen Reihe an künstlichen Modellen untersuchte. Sie ermittelten, daß der Rote Riese 1.04 Sonnenmassen mit einer Unsicherheit von ungefähr 6% besitzt und sein Radius beträgt 5.8 Sonnenradien mit einer Unsicherheit von ungefähr 3.4%. Sein Begleiter ist ein M-Zwerg mit 0.23 Sonnenmassen und 0.256 Sonnenradien, wobei die Unsicherheiten sogar noch geringer sind. Da sich die Schwingungen mit dem Alter des Sterns entwickeln, erlauben solche Oszillationen den Astronomen, das Alter des Roten Riesen – und infolgedessen das Alter des Systems selbst – auf ungefähr 9 Milliarden Jahre mit einer Unsicherheit von ungefähr 25% einzugrenzen.
Literatur:
“KOI-3890: A High-Mass-Ratio Asteroseismic Red Giant + M-Dwarf Eclipsing Binary Undergoing Heartbeat Tidal Interactions”
James S. Kuszlewicz, Thomas S. H. North, William J. Chaplin, Allyson Bieryla, David W. Latham, Andrea Miglio, Keaton J. Bell, Guy R. Davies, Saskia Hekker, Tiago L. Campante, Sebastien Deheuvels and Mikkel N. Lund
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 487, 14, 2019
oder
arXiv:1905.00040v1 [astro-ph.SR] 30 Apr 2019