Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Riesige elliptische Galaxien, die ältesten bekannten großen galaktischen Strukturen im Weltall, besitzen keine Spiralarme und gegenwärtig geringe oder keine Sternentstehungsaktivität, aber ihre zentralen supermassereichen Schwarzen Löcher sind oft aktive galaktische Kerne (active galactic nuclei = AGN). Obwohl nahezu alle Galaxien ein supermassereiches Schwarzes Loch in ihren Kernen beherbergen, sind die meisten Kerne keine AGN. Astronomen vermuten, daß sich im frühen Universum, weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall, gewaltige Ellipsen nach einem Stadium schneller Sternentstehung bildeten, und sich dann weiterentwickelten, um durch Galaxienverschmelzungen und Akkretion von Gas aus dem intergalaktischen Medium sogar noch größer zu werden. Die gleiche Akkretion hilft den AGN zu füttern, der den Ausstoß gewaltiger Jets aus sich schnell bewegenden geladenen Teilchen antreibt. Die Teilchen strahlen intensiv bei Radiofrequenzen, was diese Objekte zu hellen Zielen für Radioteleskope macht, und viele dieser Galaxien wurden daher zuerst bei Radiodurchmusterungen entdeckt.
VERITAS, das Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System, ist ein aus vier 12-m Teleskopen bestehendes, am Fred L. Whipple Observatorium auf dem Mt. Hopkins in Arizona gelegenes Observatorium des CfA. VERITAS ist dazu gedacht, Photonen der Gammastrahlung zu untersuchen, wobei jedes Gammaphoton ungefähr hundertmillionenmal mehr Energie als Röntgenphotonen der höchsten Energie, die das Chandra-Röntgen-Observatorium sehen kann, besitzt. Die CfA-Astronomen Wystan Benbow, Michael Daniel, Pascal Fortin, Gareth Hughes und Emmet Roache haben gemeinsam mit einem großen Kollegenteam mit VERITAS nach Gammaphotonen aus AGN in radiohellen, alten elliptischen Galaxien gesucht. Sie und andere Astronomen erkannten, daß die gleichen, von AGN erzeugten Jets aus geladenen Teilchen, die bei Radiowellenlängen strahlen, auch, da sie sich mit nahezu der Lichtgeschwindigkeit bewegen, Gammastrahlen erzeugen können, wenn die Teilchen des Jets mit Photonen niedriger Energie wechselwirken. Diese Strahlung ist besonders hell, wenn die Jets fast frontal (face-on) beobachtet worden sind.
Die Astronomen nutzten VERITAS, um den AGN in der elliptischen Galaxie 3C264 von 2017 bis 2019 zu untersuchen. Sie entdeckten Anfang 2018 sehr hochenergetische Gammastrahlung und bemerkten, daß diese Strahlung veränderlich sein muß. Der von dieser Strahlung gebildete AGN ist ungefähr 300 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und der fernste hochenergetische Gammastrahlung aussendende AGN von nur vier, von denen bekannt ist, daß deren Jets nicht direkt auf uns gerichtet sind. Sie gingen dieser Entdeckung mit einer Vielzahl an Beobachtungen mittels einer Fülle an Teleskopen bei vielen Wellenlängen nach: im Weltraum mit Swift, Fermi-LAT, Chandra-Röntgen-Observatorium und Hubble, vom Boden aus mit optischen und vom Kitt Peak robotisch gesteuerten Teleskopen für Radiobeobachtungen, dem Very Long Baseline Array und dem Very Large Array. Die vielfältigen Daten der unterschiedlichen Wellenlängen und Analyseprogramme des Teams erlaubten ihnen zu ermitteln, daß 3C264 wahrscheinlich der berühmten (und viel näher gelegenen) Galaxie M87 und ihren Jets ähnlich ist; M87 beherbergt das supermassereiche Schwarze Loch, das letztes Jahr abgebildet wurde. Bisher sind nur etwa zweihundert extrem hochenergetische Gammastrahlenquellen entdeckt worden, darunter AGN als auch Nicht-AGN. Die neuen Resultate über 3C264, einer von nur vier bekannten, nicht direkt auf uns gerichteten AGN in elliptischen Galaxien, bauen unser Wissen über Jets aus AGN und ihrer zugrunde liegenden Physik aus. Das Team überwacht die Quelle fortwährend: vier helle Verdichtungen sind im Radiojet zu sehen und zwei sollen in den kommenden Jahren kollidieren, wobei man ein Feuerwerk erwartet, wenn dies eintreten sollte.
Literatur:
“VERITAS Discovery of VHE Emission from the Radio Galaxy 3C 264: A Multiwavelength Study”
A. Archer et al.
The Astrophysical Journal 896, 41, 2020
oder
arXiv:2005.03110v1 [astro-ph.HE] 6 May 2020