Messung der Akkretionsscheibe eines Quasars mit dem Mikrolinseneffekt

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Das mit Hubble aufgenommene Gravitationslinsenbild des Quasars WFI2026-4536, das in vier Unterbilder aufgespalten und in (a) gezeigt ist. Bild (b) zeigt die lichtschwache, im Vordergrund stehende und als Gravitationslinse wirkende Galaxie („G“), nachdem die Anteile des Quasars abgezogen worden sind. Astronomen haben Schwankungen des Lichts zwischen den verstärkten Komponenten des Quasars genutzt, um die Abmessung seiner Akkretionsscheibe und die Masse seines supermassereichen Schwarzen Lochs abzuleiten.
NASA-Hubble, Morgan et al. 2003

Ein aktiver galaktischer Kern (active galactic nucleus = AGN) ist ein supermassives Schwarzes Loch im Kern einer Galaxie, das Material akkretiert. Die Akkretion tritt in der Umgebung des heißen Torus um den Kern herum auf und kann sich schnell bewegende Jets aus geladenen Teilchen erzeugen, die helle, veränderliche Strahlung aussenden, während Material bei seinem Fall nach innen beschleunigt wird. Quasare sind die wohl am besten bekannten leuchtkräftigen AGN und ihre Kerne sind durch Staub relativ schwach verdeckt. Die Kernregionen und Scheiben der Quasare sind zu weit entfernt und viel zu klein, um mit Teleskopen aufgelöst zu werden und die Astronomen, die versuchen, das Verhalten von Quasaren zu verstehen, müssen die Physik der AGN und der Akkretionsscheiben aus indirekten Messungen ableiten. Messungen der Änderung des Lichtflusses bieten solch einen Zugang.

Der Gravitationsmikrolinseneffekt bezieht sich auf die kurzen Lichtblitze, die entstehen, wenn sich bewegende Himmelskörper, die als Gravitationslinsen wirken, die Intensität des Lichts von Hintergrundquellen verändern. Da der Weg des Lichts bei Anwesenheit von Masse gekrümmt wird, können materielle Körper als Gravitationslinsen wirken, um die Bilder von Objekten zu verzerren, die hinter ihnen sichtbar sind. Der Mikrolinseneffekt bietet eine Möglichkeit, die Abmessungen der AGN von Quasaren zu messen. Quasarbilder mit Hilfe des Linseneffekts sind ab und zu durch eine Vordergrundgalaxie und deren stellare Objekte im Inneren vergrößert und zu mehreren Bildern verzerrt. Falls sich der Quasar relativ zu unserer Sichtlinie bewegt, ändert sich diese Vergrößerung und erzeugt über Monate oder Jahre hinweg eine merkliche, unter den Bildern nicht in Beziehung stehende Veränderung. Wenn die zeitlichen Verzögerungen zwischen den Mehrfachbildern des Quasars während mehrerer Zeitabschnitte nah genug verfolgt werden, ist es möglich, die durch den Quasar selbst verursachte Änderung von der Änderung durch den Mikrolinseneffekt zu trennen. Bis heute sind nur vierzehn Größenmessungen von Quasaren über mehrere Zeitabschnitte durchgeführt worden.

CfA-Astronom Emilio Falco war Mitglied in einem Team, das diese Variabilitätstechnik nutzte, um die Abmessung und Masse der Akkretionsscheibe sowie des Schwarzen Lochs in dem Quasar WFI2026-4536 abzuschätzen, ein Quasar, der so weit entfernt liegt, daß sein Licht nahezu elf Milliarden Jahre zu uns benötigt; das Alter des Universums beträgt nur 13.7 Milliarden Jahre. Die Wissenschaftler analysierten Daten über die Änderung des optischen Lichts über einen Zeitraum von dreizehn Jahren, von 2004 bis 2017, und entwickelten Gravitationslinsenmodelle, die die Größe der Akkretionsscheibe des Quasars auf ungefähr dreihundertsechzig Astronomische Einheiten und die Masse seines supermassereichen Schwarzen Lochs auf ungefähr eineinhalb Milliarden Sonnenmassen eingrenzen konnten. Die Masse steht in grober Übereinstimmung mit anderen Erwartungen und mit dem Massebereich in den vierzehn anderen, ähnlich vermessenen Quasaren, ist aber ungefähr doppelt so groß als im Vergleich mit Methoden erwartet, die auf der Leuchtkraft beruhen. Das Team berichtet zudem von ersten Messungen der Masse des zentralen Schwarzen Lochs unter Verwendung von spektroskopischen Daten, deren Resultate in Einklang mit der Variabilitätsmethode stehen. Die eindrucksvollen Ergebnisse vertiefen unser Wissen von diesen fernen Monstern weiter und verfeinern die Modelle von AGN.

Literatur:

„A Microlensing Accretion Disk Size Measurement in the Lensed Quasar WFI 2026–4536“

Matthew A. Cornachione, Christopher W. Morgan, Martin Millon, Misty C. Bentz, Frederic Courbin, Vivien Bonvin, and Emilio E. Falco

The Astrophysical Journal, 895, 125, 2020

oder

arXiv:1911.06218v2 [astro-ph.HE] 2 Jan 2020