Rätselhafte rote Galaxien

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Zwei Aufnahmen von einer neuen Galaxienklasse: rätselhafte rote Galaxien. In der oberen Aufnahme, entstanden im nahen Infrarot mit dem Hubble-Weltraum-Teleskop, tritt innerhalb des roten Kreises, der die Stelle markiert, an der die rote Galaxie gefunden worden ist, nichts in Erscheinung; in der unteren Aufnahme, die
mit der Infrarotkamera IRAC an Bord des Spitzer-Weltraum-Teleskops gemacht wurde, ist an dieser Stelle eine helle Quelle zu sehen, die auf eine extreme Rötung dieser entfernten Galaxie hindeutet. (Die Beschriftung benennt die speziellen Instrumente, die zur Gewinnung der Aufnahmen verwendet wurden.) J-S Huang


Die vielleicht erstaunlichste und revolutionärste Entdeckung in der Kosmologie war Edwin Hubble’s Beobachtung, daß sich Galaxien von uns mit Geschwindigkeiten entfernen, die zu ihren Entfernungen proportional sind. Diese Entdeckung liefert eine Unterstützung für das Bild der Entstehung des Universums aus dem Urknall, in dem es sich seit 13.7 Milliarden Jahren ausdehnt. Einstein, Lemaitre und andere Wissenschaftler haben im letzten Jahrhundert darauf verwiesen, daß in einem sich ausdehnenden Universum entfernte Galaxien als Folge ihrer scheinbaren Bewegungen rot erscheinen würden. Aber obwohl die Relativitätstheorie rote Galaxien vorhersagt, könnten auch andere Ursachen für die Rötung verantwortlich sein. Zum Beispiel könnten Galaxien sehr staubig sein und Staub neigt dazu, sichtbares Licht zu blockieren, aber die längeren infraroten Wellenlängen passieren zu lassen (dies läßt Galaxien röter erscheinen). Sie könnten stürmisch neue Sterne bilden und dieser Prozeß erhitzt den örtlichen Staub und läßt Galaxien im Infraroten kräftig leuchten. Oder sie könnten viele alte Sterne beheimaten, die sich entwickelt haben und rot geworden sind, so wie beispielsweise im Fall von Beteigeuze im Orion.
Jiasheng Huang und Giovanni Fazio vom CfA sowie vier weitere Kollegen wussten, daß sie auf die heiße Spur zu einem großen Geheimnis gestoßen waren, als sie in ihren Infrarot-Aufnahmen des Spitzer-Weltraum-Teleskops vier Galaxien entdeckten, die so rot waren, daß sie bei sichtbaren und Nah-Infrarotwellenlängen überhaupt nicht zu erkennen waren. Selbst das Hubble-Weltraum-Teleskop war nicht in der Lage, irgendetwas zu entdecken; dies bedeutet, daß diese neuen Galaxien im Infraroten mehr als sechzig Mal heller sind als bei der größten Wellenlänge, bei der die Nah-Infrarotkameras von Hubble empfindlich sind.
Die Astronomen modellierten all die vielfältigen Möglichkeiten und Kombinationen, um ihre Daten zu erklären. Sie konnten ausschließen, daß die Quellen einfach nur staubig sind, denn dann sollten sie bei anderen Galaxiendurchmusterungen gesehen worden sein. Die bislang wahrscheinlichste Erklärung ist, daß diese Galaxien durch die Verkettung dreier Gründe rot sind: sie sind weit genug entfernt, so daß ihr Licht mehr als etwa 12.3 Milliarden Jahre unterwegs war, sie sind Heimat einer beträchtlichen Sternentstehungsrate und sie beherbergen eine beachtliche Zahl an alten, entwickelten Sternen. Während die eine oder andere dieser Bedingungen zuvor schon in Galaxien beobachtet wurde, handelt es sich hier um das erste Mal, daß sie gemeinsam wesentlich zur Rötung beigetragen haben.
Die Schlußfolgerungen sind aus zwei Gründen bemerkenswert. Das Universum war weniger als etwa eine Milliarde Jahre alt, als diese Galaxien ihr Licht aussandten und wenn sie alte Sterne enthalten, muß dies bedeuten, daß sich diese Sterne schon sehr bald nach dem Urknall bildeten; eine wichtige Folgerung, wenn sie richtig ist. Zweitens müssen diese Galaxien ziemlich hell und massereich sein, um bei dieser großen Entfernung nachweisbar zu sein: doch treten durch das Auffinden von vier dieser Galaxien Probleme für die Theorien bei der Erklärung auf, wie frühe Galaxien entstanden sind (und die ersten Hinweise deuten darauf hin, daß jetzt viele weitere entdeckt werden, da bekannt ist, daß sie existieren).