Quasare als kosmische Standardkerzen

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Der Quasar 3C 273 und sein Jet, gesehen mit dem Chandra-Röntgen-Observatorium. Astronomen haben entdeckt, daß die Leuchtkräfte von Quasaren im Röntgen- und ultravioletten Licht, selbst bei Quasaren in großen kosmologischen Entfernungen, so eng zusammenhängen, daß sie als neue „Standardkerzen“ genutzt werden können um zu helfen, kosmische Entfernungen zu bestimmen und weitere grundlegende kosmologische Parameter zu untersuchen.
Chandra X-ray Observatory

1929 veröffentlichte Edwin Hubble Beobachtungen, daß Entfernungen und Geschwindigkeiten von Galaxien zusammenhängen; ihre Entfernungen wurden mittels ihrer Cepheiden bestimmt. Die Harvard-Astronomin Henrietta Swan Leavitt hatte entdeckt, daß ein Cepheid regelmäßig mit einer Periode variiert, die mit seiner intrinsischen Leuchtkraft in Zusammenhang steht. Sie normierte den Effekt und als Hubble diese berechneten Werte mit seinen beobachteten Leuchtkräften verglich, konnte er die Entfernungen seiner Galaxien bestimmen. Selbst heute können Cepheiden nur in relativ nahen Galaxien auf diese Art und Weise untersucht werden. Um die Entfernungsskala zurück zu früheren Zeiten in der kosmischen Geschichte zu erweitern, haben Astronomen Supernovae (SN) – der explosive Untergang massereicher Sterne – genutzt, die über viel größere Entfernungen sichtbar sind. Durch Vergleich der beobachteten Helligkeit einer SN mit ihrer intrinsischen Helligkeit, die auf ihrer Klassifikation beruht, können Astronomen ihre Entfernung bestimmen; vergleicht man dies mit der Geschwindigkeit der Heimatgalaxie (deren spektroskopisch gemessene Rotverschiebung), ergibt sich die „Hubble-Beziehung“, welche die Geschwindigkeit der Galaxie mit ihrer Entfernung verbindet. Die infolge ihrer Gleichförmigkeit über den ganzen Kosmos hinweg für diesen Zweck zuverlässigsten Supernovae sind sogenannte Supernovae vom „Typ Ia“, die als „Standardkerzen“ gelten, da sie alle die gleiche intrinsische Helligkeit besitzen. Aber auch SN werden auf diese Weise schwieriger zu untersuchen, je weiter sie entfernt sind; die bis heute entfernteste Typ Ia SN mit einer zuverlässigen Geschwindigkeitsbestimmung stammt aus einer Epoche von ungefähr 3 Milliarden Jahre nach dem Urknall.

Die Astronomen Susanna Bisogni, Francesca Civano, Martin Elvis und Pepi Fabbiano vom CfA sowie ihre Kollegen regen die Verwendung von Quasaren als eine neue Standardkerze an. Die entferntesten bekannten Quasare sind in einer Zeit von nur etwa siebenhundert Millionen Jahre nach dem Urknall entdeckt worden, was den Bereich der Standardkerzen-Rotverschiebungen deutlich ausweitet. Ein weiterer Vorteil der Quasare ist, daß Hunderttausende von ihnen in den vergangenen paar Jahren entdeckt worden sind. Nicht zuletzt sind die physikalischen Prozesse in Quasaren andere als in SN und liefern völlig unabhängige Messungen von kosmologischen Parametern.

Das von den Astronomen vorgeschlagene neue Schema beruht auf ihrer Entdeckung, daß die Röntgen- und Ultraviolettstrahlung in Quasaren eng miteinander in Beziehung stehen. Im Herz eines Quasars liegt ein supermassereiches Schwarzes Loch, das von einer sehr heißen Scheibe aus akkretierendem Material umgeben ist, das im Ultravioletten strahlt. Die Scheibe wiederum ist von heißem Gas mit Elektronen umgeben, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen; wenn Ultraviolettphotonen auf diese Elektronen treffen, wird die Energie der Photonen in den Röntgenbereich angehoben. Auf ihren früheren Methoden aufbauend, analysierte das Team die Messungen des Röntgenlichts von 2332 fernen Quasaren im neuen Chandra-Quellenkatalog und verglich diese mit Ergebnissen im Ultravioletten vom Sloan Digital Sky Survey. Sie stellten fest, daß die bereits bekannte enge Beziehung zwischen der Ultraviolett- und Röntgenleuchtkraft von lokalen Quasaren sich zu fernen Quasaren, zurück zu mehr als 85% des Alters vom Universum, fortsetzt und zu früheren Zeiten immer enger wird. Daraus folgt, daß man mit diesen beiden Größen die Entfernung von jedem Quasar festlegen kann, und daß solche Entfernungen genutzt werden können, kosmologische Modelle zu testen. Sollten die Resultate bestätigt werden, statten sie Astronomen mit einem spektakulär neuen Werkzeug aus, mit dem die Eigenschaften des sich entwickelnden Universums zu messen sind.

Literatur:

„The Chandra view of the relation between X-ray and UV emission in quasars”

S. Bisogni, E. Lusso, F. Civano, E. Nardini, G. Risaliti, M. Elvis, and G. Fabbiano

 A&A, 655 (2021) A109

oder

arXiv:2109.03252v1 [astro-ph.GA] 7 Sep 2021