Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Vor einem Jahr, am 19. Oktober 2017, entdeckten Astronomen ein ungewöhnliches Objekt, das sich nicht allzu fern von der Umlaufbahn der Erde durch den Weltraum bewegte. Nach wenigen Tagen erkannten sie, daß es sich nicht um einen normalen Asteroiden oder Kometen handeln könnte – der Weg des Objekts zeigte, daß es nicht durch die Schwerkraft an das Sonnensystem gebunden war. Es war somit der erste interstellare Körper, der je in unserem Sonnensystem entdeckt wurde, der von außerhalb stammte. Ihm wurde der hawaiianische Name ‘Oumuamua – „Kundschafter“ – gegeben.
Astronomen vermuten schon lange, daß Kometen und Asteroide in anderen Planetensystemen vorkommen – vielleicht kam `Oumuamua aus einem dieser Systeme. Neueste Modelle unseres eigenen Sonnensystems deuten darauf hin, daß solche Kleinkörper Überbleibsel aus der Zeit der Planetenbildung sind und andere planetare Systeme sollten ebenfalls Kometen und Asteroide hervorgebracht haben. Diese zu untersuchen würde dienliche Einblicke in die Ähnlichkeiten und Unterschiede bei der Bildung von Planetensystemen bieten. Bisher jedoch ist so etwas unmöglich gewesen: Die vermutete große Zahl an Kometen und Asteroiden, die man in exoplanetaren, zirkumstellaren Scheiben fand, ist weit entfernt und ihre einzelnen Mitglieder sind lichtschwach und räumlich nicht zu trennen.
`Oumuamua wäre daher eine ungewöhnliche wissenschaftliche Quelle und wurde Gegenstand einer intensiven, jedoch kurzen Beobachtungskampagne – kurz, da sie sich so schnell bewegte, daß sie rasch zu entfernt und lichtschwach wurde, um Messungen durchzuführen. Gleichwohl konnten die Beobachtungen darlegen, daß das `Oumuamua rötlich war, offenbar ohne spektrale Besonderheiten und keine Anzeichen von Gas oder Staub zeigten. All dies deutet darauf hin, daß es sich um so etwas wie einen einfachen („D-Typ“) Asteroiden handelt, auch wenn in Wahrheit kein passendes Gegenstück in unserem Sonnensystem bekannt ist. Am bemerkenswertesten ist, wie seine sich ändernde Lichtkurve offenbarte, daß `Oumuamua eine sehr langgestreckte Form besitzt: sechsmal länger als breit.
Die IRAC-Kamera an Bord des Spitzer-Weltraum-Teleskops ist derzeit ungefähr 250 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und hatte einen ganz anderen Blickwinkel auf `Oumuamua als erdgebundene Teleskope. Die CfA-Astronomen Joe Hora, Howard Smith und Giovanni Fazio, richteten gemeinsam mit ihrem langjährigen Team der Wissenschaftler des Near Earth Object Projekts und anderen Kollegen IRAC auf den Punkt am Himmel aus, wo Berechnungen zufolge `Oumuamua zu finden sei (da `Oumuamua nicht an das Sonnensystem gebunden ist und sich so schnell bewegte, war dessen Weg am Himmel vergleichsweise schwierig zu berechnen). Nach dreißig Beobachtungsstunden – eine ziemlich lange Zeit – wurde das Objekt nicht entdeckt und spätere Bahnberechnungen bestätigten, daß die Kamera exakt auf das Objekt ausgerichtet war. Jedoch war die obere Grenze von dessen Strahlung so niedrig, daß sie es dem Team ermöglichte, einige seiner physikalischen Eigenschaften einzugrenzen. Beispielsweise deutet das Fehlen eines Signals im Infraroten darauf hin, daß das Objekt kein Gas oder Staub besitzt, Teilchen, die man erwarten würde, wenn es sich um einen kometenähnlichen Körper handelte. Die Wissenschaftler berechneten auch, daß `Oumuamua, abhängig von seiner genauen Zusammensetzung und dem Reflexionsvermögen, mindestens 240 Meter (und womöglich bis zu einem Kilometer) an seiner längsten Stelle mißt (für Star Trek Liebhaber: einige Fans schätzen die Länge der Enterprise auf 725 Meter). Das Objekt hat sich jetzt zu weit entfernt, um von irgendeinem unserer Teleskope gesehen zu werden und obschon es ein interstellares Geheimnis bleiben wird, erinnert es uns einmal mehr daran, daß unsere kosmische Nachbarschaft voller Überraschungen ist.
Literatur:
“Spitzer Observations of Interstellar Object 1I/`Oumuamua”
David E. Trilling, Michael Mommert, Joseph L. Hora, Davide Farnocchia, Paul Chodas, Jon Giorgini, Howard A. Smith, Sean Carey, Carey M. Lisse, Michael Werner, Andrew McNeill, Steven R. Chesley, Joshua P. Emery, Giovanni Fazio, Yanga R. Fernandez, Alan Harris, Massimo Marengo, Michael Mueller, Alissa Roegge, Nathan Smith, H. A. Weaver, Karen Meech, and Marco Micheli
The Astronomical Journal (in press) 2018