Dr. Ilka Petermann
Es gibt einen Ort im Universum, wo Beethoven, Gustave Eiffel, Hippokrates, Idefix, James Bond, Jocelyn Bell, Michelangelo, Monty Python und Mr. Spock gemeinsam ihre Bahnen ziehen. Wo es für Darmstadt (Abb.1), Frankfurt und Offenbach richtig rund läuft (oder vielleicht ein bisschen elliptisch, das wollen wir an dieser Stelle mal durchgehen lassen). Es gibt dort Bouillabaisse und Gouda – es ist aber kein Restaurant; man findet Hempel, aber kein Sofa; es gibt Amor und Liebe – doch ist dieser Ort weder Las Vegas oder Atlantis noch Utopia (die drei sind aber auch mit dabei). Die ‘Adresse’, die wir in unser Astro-Navi eingeben müssten füllt eine Lücke, welche die Wissenschaftler Johann Daniel Titius und Johann Elert Bode theoretisch und mehr als eine dreiviertel Million Gesteinskörper im Gürtel zwischen Mars und Jupiter ganz handfest auffüllen: den Asteroidengürtel.
Als vor zwei Milliarden Jahren ein Asteroid von 10 Kilometern Durchmesser im Gebiet des heutigen Südafrika einschlug, haben vielleicht ein paar Lebewesen mit der Wimper gezuckt. Doch im Großen und Ganzen war die junge Erde im Paläoproterozoikum vor 2500-1600 Millionen Jahren ein ungemütlicher und vor allem noch weitgehend unbewohnter Ort. Einfache Bakterien mit Geißeln und Wimpern ruderten durch die Urmeere, vereinzelt gab es auch schon erste komplexere Einzeller mit Zellkernen und Organellen. Der Asteroideneinschlag, dessen Überrest durch Plattentektonik und Erosion heute nur noch als abgetragener Ring sichtbar ist, sprengte ein 40 Kilometer tiefes und bis zu 100 Kilometer breites Loch in die Erdkruste: Der ‘Vredefort-Krater’ gilt heute als größter zweifelsfrei bestimmter Einschlagkrater auf der Erde (Abb.2). Dicht gefolgt vom ‘Sudbury-Becken’, auch dieses Zeuge des Einschlags eines Asteroiden vergleichbarer Größe vor etwa 1.8 Milliarden Jahren. Jüngeren Datums und im Norden der mexikanischen Halbinsel Yucatan gelegen, findet sich der Überrest eines Asteroideneinschlags, der vermutlich den Ausschlag zu einem der größten Artensterben auf der Erde geführt hat: der Chicxulub-Krater, 66 Millionen Jahre vor unserer Zeit und vermutliche Ursache für das Aussterben der Dinosaurier. Die Fossilien der Riesenechsen aus der Kreidezeit, Tyrannosaurus Rex mit 15 Meter Länge oder Triceratops mit acht Metern (um nur zwei besonders kinotaugliche Exemplare zu nennen) stimmen zeitlich mit dem Einschlag eines Asteroiden von 10-15 Kilometern Durchmesser überein. Die Energie von 200 Millionen Hiroshima-Bomben zerstörte die größten Teile der mesozoischen Tier- und Pflanzenwelt (ein zeitlich ähnlicher Einschlag in der heutigen Ukraine, der Bowtyschka-Krater, mag auch einen zusätzlichen Beitrag zum Kreidezeit-Inferno geliefert haben).
Die Abgrenzung zwischen Asteroiden, Meteoriten, Zwergplaneten und Kometen ist nicht immer ganz eindeutig. Grob gesagt sind die ‘Sternähnlichen’ (vom altgriechischen ‘asteroeides’, deutsch ‚sternähnlich‘) solche Kleinkörper, die sich auf Kepler’schen Bahnen um die Sonne bewegen, größer sind als Meteoroide (Millimeter bis Meter-Bereich), aber kleiner als Zwergplaneten (um die 1000 Kilometer). Im Gegensatz zu den Kometen haben sie weniger flüchtige Substanzen wie Kohlendioxid, Methan oder Wasser und verzichten daher in Sonnennähe auf einen Schweif: Asteroide erscheinen wie die kleinen Lichtpunkte von Sternen. Bei genauerer Untersuchung sieht man, dass Asteroide aufgrund ihrer geringen Gravitation nicht rund und glatt wie frische Kaugummikugeln sind, sondern eher an die gekaute Version erinnern: unregelmäßig geformt, nicht symmetrisch und mit kraterreicher Oberfläche.
Zur Entstehung der Asteroiden gibt es unterschiedliche Ansätze. Einer geht davon aus, dass ein größeres Objekt auf der Bahn zwischen Mars und Jupiter, etwa durch eine Kollision, auseinander-gebrochen ist und seine ‘Brösel’ seitdem den Weg um die Sonne markieren. Jener Ursprungs-Körper wäre im Vergleich zu den anderen Mitgliedern des Sonnensystems allerdings selbst nur ein Krümel – beträgt die Gesamtmasse aller Objekte im Asteroidengürtel doch gerade einmal 0.01-0.1% der Erdmasse (zum Vergleich: der Mond bringt es auf 1.23%). Eine andere Theorie geht davon aus, dass Asteroiden übriggebliebene Planetesimale aus den Frühphasen unseres Sonnensystems sind, die sich aufgrund der dominant-störenden Gravitation von Jupiter nicht zu einem eigenen Planeten zusammenfinden konnten.
Die Zusammensetzung von Asteroiden und damit auch ihre Klassifikation erinnert ein bisschen an vergangene Sommerurlaubstage: Grillkohle, Sand und Kühlschrankmagnete. Oder genauer: zwei Drittel stellen die dunklen kohlenstoffreichen Objekte, gut 15 Prozent sind als Silikat-Asteroide (‘Sand’) verzeichnet und den Rest bilden metallische Objekte, größtenteils aus (magnetischen) Eisen-Nickel-Verbindungen.
Die meisten Asteroide des Sonnensystems befinden sich in einem Gürtel zwischen Mars und Jupiter (Abb.3) etwa knappe zwei bis vier Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Innerhalb dieses Gürtels sind Asteroiden in (neun) Gruppen oder Familien zusammengefasst, die sich in ihren Bahn-eigenschaften und/oder ihrer Zusammensetzung ähneln und zumeist nach einem besonders markan-ten Vertreter benannt sind. Von innen nach außen lesen sich die ‘Klingelschilder’ des Hauptgürtels zu Flora, Vesta, Nysa, Eunomia, Gefion, Koronis, Eos, Themis und Hygiea. Vesta und Hygiea gehören dabei zu den größten Asteroiden, wobei erstere in ihren Ausmaßen zwar durch Pallas übertroffen wird (im Mittel 546 km Durchmesser), doch ist Vesta mit 2.6 x 1020 kg der schwerste Asteroid (bei einem ungefähren Durchmesser von 516 km. Zum Vergleich: der Zwergplanet Ceres bringt es auf 960 x 890 km, unser Erdmond auf 3474 km).
Die ersten Entdeckungen von Asteroiden gehen auf den Versuch zurück, eine Lücke zu schließen – und ähnlich wie der irdische Versuch eine (Park-)Lücke kreativ zu schließen oft die Anwesenheit der Polizei nach sich zieht, war auch bei der Lücke zwischen Mars und Jupiter eine ‘Polizey’ zur Stelle: die Himmelspolizey. Bei der Untersuchung der Planetenbahnen sahen Astronomen schon früh (und bereits Johannes Kepler stellte erste Vermutungen dazu auf), dass zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter ein auffällig großer Abstand liegt, ein bisschen so wie zwischen Vorder- und Hinterbeinchen eines Dackels. Die empirisch gefundene Titius-Bode-Reihe, ein einfacher mathematischer Ausdruck, der die Abstände der Planeten von der Sonne aufzeigt, verlieh der Hypothese weiteren Nachdruck. Mit dem Ziel, einen bis dahin entwischten, also noch unbeobachteten, Planeten zu finden, gründeten Franz Xaver von Zach und Johann Schroeter im Jahr 1800 die Himmelspolizey, die in ‘europäischer’ Zusammenarbeit systematisch den Himmel absuchen sollte. Bereits in der Neujahrsnacht 1801 entdeckte der italienische Astronom Giuseppe Piazzi einen ‘Stern’, der in keinem Verzeichnis gelistet war. Er vermutete zuerst einen Kometen, sandte seine Beobachtungsdaten an den Kollegen von Zach – und wurde krank. Das verhinderte weitere Beobachtungen von Piazzi und es dauerte ziemlich genau ein Jahr, bis Heinrich Olbers mit Hilfe der Gauß’schen Methode der kleinsten Quadrate die ‘Kometen’-Bahn rekonstruieren und das Objekt am 31.12.1801 wiederfinden konnte. Der nun als Planet identifizierte und ‘Ceres’ getaufte Himmelskörper blieb in Folge nicht lange alleine: 1802 entdeckte Olbers ‘Pallas’; 1803 bzw. 1807 wurden ‘Juno’ und ‘Vesta’ registriert. Nach einem planetaren Entdeckungs-Päuschen von knapp 40 Jahren (erst 1845 wurde der nächste ‘Planet’, Astraea, entdeckt) nahm die Suche schnell an Fahrt auf und als ab 1847 eine so große Zahl neuer Objekte entdeckt worden war, entschloss man sich, eine neue Objektklasse einzuführen: die Asteroiden. Nach 1890 waren dann schon weit über 300 Asteroide bekannt und die aufkommende Astrofotografie beschleunigte den Prozess nochmal um ein Vielfaches. Heute sind 755.017 Asteroide bekannt und wären sie noch alle Planeten – der griffige Merksatz ‘Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Nachbarn’ wäre wohl eine Klasse für sich…