Paul M. Sutter in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
In dieser Serie erkunden wir die sonderbare, doch auch wunderbare Welt der astronomischen Fachsprache! Das Thema heute: Neutrinos!
Das Neutrino ist vielleicht eines der verdrießlichsten Teilchen in der gesamten Physik. Der Physiker Wolfgang Pauli schlug die Existenz des Neutrinos zum ersten Mal vor, um zu erklären, warum die Betazerfallsreaktion der Atomkerne gegen den Energie- und Impulserhaltungssatz zu verstoßen schien. Er war der Meinung, daß ein winziges, unsichtbares Teilchen die zusätzliche Energie und den zusätzlichen Impuls abtransportieren könnte.
Später wiesen Physiker die Existenz des Neutrinos nach, und Enrico Fermi gab ihm den Namen, der aus dem Italienischen stammt und “kleines neutrales Ding” bedeutet.
Das Neutrino besitzt eine so geringe Masse, daß Physiker jahrzehntelang glaubten, es sei völlig masselos und bewege sich mit Lichtgeschwindigkeit.
Die Physiker wissen jetzt, daß Neutrinos eine Masse haben, aber sie sind sich nicht sicher, wie groß diese Masse genau ist. Erschwerend kommt hinzu, daß es nicht nur eine Art von Neutrino gibt, sondern drei. Es gibt das Elektron-Neutrino, das Myon-Neutrino und das Tau-Neutrino. Jede Art oder “Geschmacksrichtung” des Neutrinos tritt nur in Reaktionen auf, an denen die entsprechende Elektronenart beteiligt ist (das gewöhnliche Elektron, sein schwererer Cousin, das Myon, und sein noch schwererer Verwandter, das Tau).
Es kommt noch schlimmer. Im Gegensatz zu anderen Teilchen können Neutrinos auf ihrer Reise die Geschmacksrichtung, ihr Flavor, ändern. So kann eine Reaktion ein Elektron-Neutrino erzeugen, aber wenn es einen Detektor erreicht, kann es ein Myon- oder Tau-Neutrino sein.
Es kommt sogar noch schlimmer. Neutrinos treten fast nie mit normaler Materie in Wechselwirkung, sondern sind nur an Reaktionen beteiligt, die die schwache Kernkraft betreffen. Daher braucht man unglaublich große Detektoren, um sie zu finden. Das IceCube-Experiment am geographischen Südpol zum Beispiel nutzt einen ganzen Kubikkilometer der antarktischen Eisdecke, um Neutrinos aufzuspüren. Manchmal treffen sie auf ein wenig Wasser im Eis und verursachen einen blauen Lichtblitz, den in das Eis gebohrte Detektoren aufspüren können.
Die unbekannten Massen der drei Neutrino-Flavors sind eines der größten Rätsel der modernen Physik, ebenso wie die Frage, ob es weitere, noch schwieriger nachzuweisende Flavors gibt. Das Standardmodell der Teilchenphysik hat keine Erklärung für die Masse des Neutrinos, und viele Physiker glauben, daß nur eine radikale Modernisierung unseres Verständnisses der Physik dieses Rätsel lösen kann.