Originalveröffentlichung am 15.12.2022 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Webb’s Infrarot-Fähigkeiten durchdringen Staubwolken und dabei gelingt ein seltener Fund
Die Suche nach vergrabenen Schätzen kann ein mühsamer, ja frustrierender Prozeß sein. Gewöhnlich durchwühlt man stundenlang sprichwörtlich den Sand, aber nur selten knackt man den Jackpot. Die Forscher bekommen allerdings mit NASA‘s James-Webb-Weltraumteleskop einen Vorgeschmack auf diese nur allzu oft schwer faßbaren Schätze.
Ein “Tieftauchgang” nach vergrabenen Schätzen in einem von Webb’s ersten Kultbildern, den Kosmischen Klippen, hat eine Brutstätte junger Sterne in einem besonders schwer faßbaren Entwicklungsstadium enthüllt. Die genaue Auswertung der Daten einer bestimmten Wellenlänge des Lichts, die nur von Webb erfaßt wurde, öffnet nun neue Türen zu faszinierenden Funden.
Wissenschaftler, die einen “Tieftauchgang” in eines der ersten Kultbildern von Webb unternommen haben, entdeckten Dutzende an energiereichen Jets und Ausströmungen von jungen Sternen, die zuvor von Staubwolken verdeckt waren. Die Entdeckung markiert den Beginn einer neuen Ära bei der Erforschung der Entstehung von Sternen wie unserer Sonne und der Frage, wie die Strahlung von nahen massereichen Sternen die Entwicklung von Planeten beeinflussen könnte.
Die Kosmischen Klippen, eine Region am Rande eines gigantischen Gashohlraums innerhalb des Sternhaufens NGC 3324, fasziniert Astronomen schon lange als Brutstätte der Sternentstehung. Obwohl sie vom Hubble-Weltraumteleskop gut untersucht wurde, bleiben viele Details der Sternentstehung in NGC 3324 bei Wellenlängen des sichtbaren Lichts verborgen. Webb ist perfekt gerüstet, um diese lang gesuchten Details herauszufinden, da es in der Lage ist, Jets und Ausströmungen, die nur im Infraroten zu sehen sind, mit hoher Auflösung zu erkennen. Die Fähigkeiten von Webb ermöglichen es den Forschern auch, die Bewegung anderer Merkmale zu verfolgen, die zuvor von Hubble erfaßt wurden.
Kürzlich entdeckten Astronomen durch die Auswertung von Daten einer bestimmten Wellenlänge des Infrarotlichts (4,7 Mikrometer) zwei Dutzend bisher unbekannte Ausströmungen von extrem jungen Sternen, die durch molekularen Wasserstoff ans Licht gekommen sind. Die Beobachtungen von Webb enthüllten eine Galerie von Objekten, die von kleinen Fontänen bis hin zu brodelnden Ungetümen reichen und sich Lichtjahre von den sich bildenden Sternen entfernt befinden. Viele dieser Protosterne sind auf dem besten Weg, sich zu Sternen mit geringer Masse, wie unsere Sonne, zu entwickeln.
“Webb bietet uns eine Momentaufnahme, die zeigt, wie viel Sternentstehung in einer eher typischen Ecke des Universums stattfindet, die wir bisher nicht sehen konnten”, sagte die Astronomin Megan Reiter von der Rice University in Houston, Texas, die die Studie leitete.
Molekularer Wasserstoff ist ein wesentlicher Bestandteil für die Entstehung neuer Sterne und ein hervorragender Indikator für die frühen Stadien ihrer Bildung. Während junge Sterne Material aus dem sie umgebenden Gas und Staub aufnehmen, stoßen die meisten von ihnen einen Teil dieses Materials aus ihren Polarregionen in Jets und Ausströmungen wieder aus. Diese Jets wirken dann wie ein Schneepflug, der die Umgebung wie mit Bulldozern bearbeitet. In den Beobachtungen von Webb ist der molekulare Wasserstoff zu sehen, der von diesen Jets mitgerissen und angeregt wird.
“Jets wie diese sind Wegweiser für den spannendsten Teil des Sternentstehungsprozeßes. Wir sehen sie nur während eines kurzen Zeitfensters, wenn der Protostern aktiv akkretiert”, erklärt Co-Autor Nathan Smith von der Universität von Arizona in Tucson.
Bisherige Beobachtungen von Jets und Ausströmungen betrafen vor allem nahe gelegene Regionen und weiter entwickelte Objekte, die bereits in den visuellen Wellenlängen von Hubble zu erkennen sind. Die unvergleichliche Empfindlichkeit von Webb ermöglicht die Beobachtung von weiter entfernten Regionen, während die Infrarot-Optimierung des Teleskops die staubverschluckenden jüngeren Stadien erforscht. Zusammengenommen bietet dies den Astronomen einen beispiellosen Einblick in Umgebungen, die dem Geburtsort unseres Sonnensystems ähnlich sehen.
“Es öffnet die Tür zu den Möglichkeiten, diese Populationen von neugeborenen Sternen in ziemlich typischen Umgebungen des Universums zu untersuchen, die bis zum James-Webb-Weltraumteleskop unsichtbar waren”, fügte Reiter hinzu. “Jetzt wissen wir, wo wir als Nächstes hinschauen müssen, um zu erforschen, welche Variablen für die Entstehung von sonnenähnlichen Sternen wichtig sind.”
Dieser Zeitraum der sehr frühen Sternentstehung ist besonders schwer zu erfassen, da es sich für jeden einzelnen Stern um ein relativ flüchtiges Ereignis handelt – nur ein paar tausend bis 10.000 Jahre inmitten eines mehrere Millionen Jahre dauernden Prozeßes der Sternentstehung.
“Auf dem Bild, das im Juli veröffentlicht wurde, sieht man Andeutungen dieser Aktivität, aber diese Jets sind nur sichtbar, wenn man in die Tiefe geht und die Daten der verschiedenen Filter analysiert”, erklärt Jon Morse vom California Institute of Technology in Pasadena, Mitglied des Teams. “Das ist wie die Suche nach einem vergrabenen Schatz.”
Durch die Auswertung der neuen Webb-Beobachtungen gewinnen die Astronomen auch Erkenntnisse darüber, wie aktiv diese Sternentstehungsgebiete sind, selbst in einer relativ kurzen Zeitspanne. Durch den Vergleich der Position bereits bekannter Ausströmungen in dieser Region, die von Webb aufgenommen wurden, mit Archivdaten von Hubble von vor 16 Jahren konnten die Wissenschaftler die Geschwindigkeit und die Richtung, in die sich die Jets bewegen, verfolgen.
Diese Forschungsarbeit wurde anhand von Beobachtungen durchgeführt, die im Rahmen des Early Release Observations Program von Webb gesammelt wurden. Die Arbeit wurde in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society im Dezember 2022 veröffentlicht.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).
Jets im Carina-Nebel (NIRCam Schmalbandfilter)
Jets im Carina-Nebel– beschriftet (NIRCam Schmalbandfilter)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): NGC 3324, Carina-Nebel
- Objektbeschreibung: Sternentstehungsgebiet im Carina-Nebel
- Rektaszension: 10:36:59.0
- Deklination: -58:37:0.0
- Sternbild: Carina
- Entfernung: 7.600 Lichtjahre entfernt (2.300 Parsec)
- Abmessung: Das Hauptbild hat einen Durchmesser von etwa 7,3 Bogenminuten (etwa 16 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F187N, F444W, F470N
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um enge und breite Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Rot: F470N Grün: F444W Blau: F187N
Über das Bild: Dutzende von bisher verborgenen Jets und Ausströmungen junger Sterne in den Kosmischen Klippen werden in diesem neue Bild der Nahinfrarotkamera (NIRCam) des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA ans Licht gebracht. Die Kosmischen Klippen, eine Region am Rande eines gigantischen Gashohlraums in NGC 3324, fasziniert Astronomen seit langem als Brutstätte der Sternentstehung.
Viele Details der Sternentstehung in NGC 3324 bleiben bei Wellenlängen des sichtbaren Lichts verborgen. Webb ist perfekt gerüstet, um diese lang gesuchten Details herauszufinden, da es Jets und Ausströmungen, die nur im Infraroten sichtbar sind, mit hoher Auflösung aufspüren kann.
Dieses Bild trennt mehrere Wellenlängen des Lichts aus dem ersten Kultbild vom 12. Juli 2022 heraus. Die Wellenlängen heben den molekularen Wasserstoff hervor, einen wichtigen Bestandteil der Sternentstehung. Die Einschübe auf der rechten Seite stellen drei Regionen der Kosmischen Klippen mit besonders aktiven Ausströmungen von molekularem Wasserstoff heraus.
In diesem Bild wurden die Farben Rot, Grün und Blau den NIRCam-Daten von Webb bei 4,7, 4,44 und 1,87 Mikrometern (Filter F470N, F444W bzw. F187N) zugeordnet.
NIRCam wurde von einem Team der University of Arizona und dem Advanced Technology Center von Lockheed Martin entwickelt.
Jets im Carina-Nebel (NIRCam Schmalbandfilter Kompass-Ansicht)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): NGC 3324, Carina-Nebel
- Objektbeschreibung: Sternentstehungsgebiet im Carina-Nebel
- Rektaszension: 10:36:59.0
- Deklination: -58:37:0.0
- Sternbild: Carina
- Entfernung: 7.600 Lichtjahre entfernt (2.300 Parsec)
- Abmessung: Das Hauptbild hat einen Durchmesser von etwa 7,3 Bogenminuten (etwa 16 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F187N, F444W, F470N
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um enge und breite Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Rot: F470N Grün: F444W Blau: F187N
Über das Bild: Bild der Kosmischen Klippen, einer Region am Rande eines riesigen, gasförmigen Hohlraums in NGC 3324, aufgenommen mit der Nahinfrarotkamera (NIRCam) von Webb, mit Kompasspfeilen, Maßstabsleiste und Farbschlüssel zur Orientierung.
Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, dass die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) umgekehrt ist.
Der Maßstabsbalken ist in Lichtjahren angegeben, was der Entfernung entspricht, die das Licht in einem Erdjahr zurücklegt. Es dauert 2 Jahre, bis das Licht eine Strecke zurückgelegt hat, die der Länge des Balkens entspricht. Ein Lichtjahr sind etwa 9,46 Billionen Kilometer.
Dieses Bild zeigt nicht sichtbare Nahinfrarot-Wellenlängen, die in Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt wurden. Der Farbschlüssel zeigt, welche NIRCam-Filter bei der Aufnahme des Lichts verwendet wurden. Die Farbe jedes Filternamens ist die Farbe des sichtbaren Lichts, die verwendet wird, um das infrarote Licht darzustellen, das durch diesen Filter fällt.
NIRCam wurde von einem Team der University of Arizona und dem Advanced Technology Center von Lockheed Martin entwickelt.