Milkomeda, unsere zukünftige Heimat

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine optische Aufnahme von NGC 4676 – „Die Mäuse“, zwei wechselwirkende Galaxien. Neuere Forschungen am CfA zeigen, daß unsere Galaxis in wenigen Milliarden Jahren mit Andromeda zusammenstoßen wird. ACS Science & Engineering Team, Hubble Space Telescope, NASA


Galaxien stoßen häufig zusammen und hinterlassen dabei Beweise für ihre gewaltigen Wechselwirkungen nahezu überall am Himmel. Zum Beispiel steuert unsere eigene Milchstraße auf ihre nächstgelegene große Nachbarin, die Andromeda-Galaxie, mit einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/s zu und Prognosen unterstellen, daß beide in etwa vier Milliarden Jahren verschmelzen werden. Es ist aber nicht nur die Zukunft unserer Heimatgalaxie, die Forscher interessiert – es ist zu vermuten, daß diese energiereichen Zusammenstöße helfen, massereiche Sterne zu bilden, die wiederum Galaxien mit chemischen Elementen anreichern.
Obwohl Astronomen seit über fünfzig Jahren wissen, daß die Milchstraße und Andromeda auf einem Kollisionskurs sind, wurden die Einzelheiten ihrer dramatischen zukünftigen Begegnung kaum verstanden. Die Astronomen T. J. Cox und A. Loeb am CfA haben nun dieser Misere ein Ende bereitet. Die Milchstraße und Andromeda sind die beiden größten (sprich massereichsten) Galaxien in der sogenannten „Lokalen Gruppe“, die etwa vierzig weitere, viel kleinere Galaxien umfaßt und die alle durch die Schwerkraft aneinander gebunden sind. Die beiden Astronomen wandten ihre neuesten Computersimulationen für wechselwirkende Galaxien auf die Lokale Gruppe an. Zum ersten Mal in solch einer ausführlichen Simulation bezogen sie den Einfluß der Dunklen Materie mit ein und da es nahezu 5-mal mehr Dunkle Materie als normale Materie in der Lokalen Gruppe gibt, spielt die Dunkle Materie eine zentrale Rolle. Sie beschäftigen sich zudem mit einer entscheidenden, unbekannten Größe. Im Gegensatz zu dem, was man erwarten würde, ist die quer über den Himmel verlaufende Bewegung von Andromeda nahezu nicht meßbar. Allerdings ist ihre auf die Milchstraße gerichtete Bewegung durch die Verschiebung der Wellenlängen ihres Lichts mittels des Doppler-Effekts einfach zu bestimmen. Gleichwohl wird diese querverlaufende (transversale) Bewegung die zukünftige Kollision beeinflussen und daher ließen Cox und Loeb ihre Computerberechnungen mit einer Reihe von verschiedenen möglichen transversalen Bewegungen von Andromeda laufen.
Die Simulationen ergaben alle in etwa das gleiche statistische Ergebnis. Höchstwahrscheinlich werden die Milchstraße und Andromeda in nur wenigen Milliarden Jahren kollidieren und eine neue, elliptische Galaxie bilden, der die beiden Astronomen den Namen „Milkomeda“ gegeben haben. Diese Zeitspanne ist beträchtlich kürzer als erwartet wurde – und liegt sogar innerhalb des Daseins unserer Sonne, die ihren Wasserstoffbrennstoff glücklicherweise für ungefähr die nächsten sieben Milliarden Jahre (wobei einige Korrekturen möglich sind) verbrennen wird. Die Simulationen sagen auch voraus, daß das Sonnensystem, da es gegenwärtig ungefähr Zweidrittel vom Zentrum entfernt im äußeren Teil unserer Galaxis liegt, gute Aussichten hat, beim bevorstehenden Zusammenstoß in einen langgestreckten Gezeitenschweif geschleudert zu werden. Genau genommen könnten wir einmal sogar gänzlich in Andromeda enden.
Die Wissenschaftler beziehen in ihre Arbeit einige spekulative Gedanken über das Leben auf der Erde mit ein, sollte die Menschheit Wege finden, um den viel alltäglicheren, zwischenzeitlich auftretenden Problemen gewachsen zu sein. Sie heben hervor, daß es am Himmel mehr Kometenschauer geben könnte, da durch Sterne verursachte Störungen den Materialvorrat im äußeren Sonnensystem durcheinanderbringen. Am Ende verweisen Cox und Loeb darauf, daß in etwa 100 Milliarden Jahren unser Blick auf den gesamten Kosmos lediglich in dem Überbleibsel dieser Katastrophe bestehen wird: Milkomeda und die Lokale Gruppe. Das sich beschleunigt ausdehnende Universum wird am Ende alle anderen Galaxien im All hinter unserem Beobachtungshorizont verschwinden lassen.