Eine „schockierende“ Entdeckung

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine Falschfarbenaufnahme des Jets HH211, ausgestoßen von einem jungen Stern (nicht sichtbar), mit dem Spitzer-Weltraum-Teleskop im infraroten Licht aufgenommen. Astronomen am SAO entdeckten durch Stöße sehr hoch angeregte OH-Emission, die nah von der linken Spitze der Ausströmung stammt; darüber ist der Nebel IC 348 zu sehen. Die Markierung oben rechts entspricht dem Abstand von einem Zwanzigstel Lichtjahr.


 
Die komplexe Abfolge von Ereignissen, die zur Sternbildung führen, stellte man sich einst so vor, daß diese Prozesse nur die einfache Verschmelzung von Material unter dem Einfluß der Schwerkraft umfassen. Doch diese Vorgänge erstaunen und überraschen die Astronomen immer wieder aufs Neue. Zum Beispiel zeigen neu entstandene Sterne Hinweise auf rotierende (möglicherweise protoplanetarische) zirkumstellare Scheiben mitsamt spektakulären Abflüssen von Material in Form von enggebündelten Jets, die senkrecht zu diesen Scheiben in entgegengesetzte Richtungen herausschießen. Die Entstehung von planetaren Scheiben hat auf der Hand liegende Bedeutung für Wissenschaftler, die versuchen, die Bedingungen im Sonnensystem, als die Erde sich bildete, zu enträtseln. Die nach außen strömenden Jets sind ebenfalls wichtig, da sie die Umgebung des jungen Sterns mächtig durcheinanderwirbeln, obgleich bis jetzt nicht klar ist, wie heftig dieser Vorgang ist.
Die Astronomen A. Tappe, C. J. Lada und A. Muench vom SAO sowie J. H. Black vom Onsala Space Observatory in Schweden setzten das Spitzer-Weltraum-Teleskop ein, um die Emission an der Spitze des Jets HH211 zu untersuchen; dieser Punkt kennzeichnet die Stelle, an der der Jet auf das umgebende interstellare Medium prallt. Gewöhnlich strahlen Atome und Moleküle in diesen Gebieten, da die Bewegungen der Jets schnell genug sind – mehr als zwanzig km/s oder zweiundsiebzigtausend km/h – um die Atome und Moleküle durch Stöße zu heller Emission anzuregen. Wissenschaftler nutzen diese Information, um die Natur des abströmenden Materials ebenso zu bestimmen wie die Chemie in dem Gas.
HH211 hielt eine spektakuläre Überraschung bereit: die erste, jemals gewonnene Messung sehr heißer OH-Moleküle im interstellaren Medium. Die Auswertung der Daten zeigt, daß die OH-Moleküle auf Temperaturen von etwa 28.200 Kelvin angeregt sind; dies ist über 10-mal heißer als die übliche Temperatur von einigen Tausend Kelvin, die man in solchen Jets normalerweise sieht. Die Wissenschaftler entdeckten aber nicht nur heißes OH, sie fanden auch Hinweise auf Wasser und auf das deuterierte Molekül HD. Nicht zuletzt entdeckten sie, daß diese sehr heißen Teilchen sich sowohl an der Spitze der Schockfront als auch entlang ihrer Vorderkante befinden.
Die Auswertung, die weitergeht, während diese ersten Ergebnisse veröffentlicht werden, deutet darauf hin, daß eine sich mit etwa vierzig km/s voran bewegende Schockfront eine starke ultraviolette Strahlung erzeugt und dieses ultraviolette Licht das Wasser im Gas sowohl an Ort und Stelle als auch vor der Schockwelle in heißes OH zerlegt. Die Ergebnisse liefern sowohl wichtige neue Einsichten in die dynamischen Abläufe und die Chemie, welche auftreten können, wenn sich neue Sterne bilden als auch neu auftretende Fragen darüber, warum gerade diese Quelle so ungewöhnlich zu sein scheint.