Messung des zentralen Gases in einem kosmischen Cooling Flow

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Hier ist die Galaxiengruppe NGC 5044, die hellste Röntgengruppe am Himmel, in einem großen Wellenbereich, vom niederfrequenten Radio- bis zum Röntgenlicht, zu sehen. Astronomen, die „cooling flows“ untersuchen, die sich in Galaxienclustern entwickeln, während das sehr heiße, Röntgenstrahlung aussendende Gas abkühlt, haben mit einer größeren Zahl an Teleskopen und räumlichen Auflösungen cooling flows durch die Verteilung und Bewegung von Kohlenmonoxid sehr genau verfolgt.
ESA/XMM-Newton, CC BY-SA 3.0 IGO

Unsere Milchstraße ist Mitglied in einem Galaxienhaufen aus ungefähr fünfzig Galaxien, die sogenannte “Lokale Gruppe”, deren anderes großes Mitglied Andromeda in rund 2.3 Millionen Lichtjahren Entfernung ist. Die meisten Galaxien befinden sich in Clustern, und der zu uns am nächsten gelegene große Galaxiencluster ist der Virgo-Cluster mit ungefähr 2000 Mitgliedern. Der Raum zwischen Galaxien ist nicht leer, sondern mit heißem ionisiertem Gas durchsetzt, ein Röntgenstrahlung aussendendes Material, dessen Temperatur sich in der Größenordnung von 10 Millionen Kelvin oder sogar noch höher bewegt.

Die Entwicklung von Clustern ist ein Schlüsselmerkmal der Galaxienentwicklung, aber unser Wissen darüber ist bemerkenswert lückenhaft. Ein Problem bezieht sich auf das Schicksal dieses heißen, Röntgenlicht aussendenden Gases. In den Kernen von Clustern wird das Gas auf hohe Temperaturen gebracht, während es in das Clusterzentrum fällt, wobei einige weitere Prozesse beim Heizen eine Rolle spielen. Das Rätsel besteht darin, warum sich dieses heiße Gas bei seinem Absinken in Richtung des Clusterzentrums nicht viel wirkungsvoller abkühlt, wo es mehr Sternentstehung auslösen könnte. Die übliche Vermutung ist, daß von supermassereichen Schwarzen Löchern abströmende Jets, oder vielleicht andere Arten der Rückkopplung, die Bildung solcher „cooling flows“ unterdrücken, doch die Einzelheiten dieses Mechanismus zu ermitteln ist schwer durchführbar gewesen.

Die Galaxiengruppe NGC 5044 ist eine der im Röntgenlicht hellsten Gruppen am Himmel und ausgiebig untersucht worden. Man weiß durch Beobachtungen an Kohlenmonoxidgas (CO), daß deren Zentralregion ungefähr einhundert Millionen Sonnenmassen an kaltem molekularem Gas enthält. Jedoch erzielte man diese Ergebnisse entweder mit räumlich sehr niedrig auflösenden einzelnen (oder „single dish“) Teleskopen, die den gesamten Gasgehalt gemessen hatten oder mit ALMA, einer räumlich sehr hoch auflösenden Teleskop-Anordnung, die speziell zum Erkennen kleiner Substrukturen (Abmessungen in der Größenordnung von fünfzig Lichtjahren bei der von NGC 5044 angenommenen Entfernung) erfolgreich ist. Diese früheren Ergebnisse erfassten nicht nur nicht das Gas von Strukturen im Bereich mittlerer Größe – dies ist wichtig, um zu verstehen, wie sich cooling flows verhalten – sondern sie machten auch auf eine Schwierigkeit aufmerksam: die gemessene Gesamtmenge an kaltem Gas betrug mehr als das Doppelte von dem, das man in viel kleineren Substrukturen sieht, was darauf schließen läßt, daß ein großer Teil nicht belegt war.

Die CfA-Astronomen Gerrit Schellenberger, Laurence David, Jan Vrtilek, Ewan O’Sullivan, Bill Forman und Christine Jones leiteten eine Arbeitsgruppe, die mit dem Atacama Compact Array Verbund aus zwölf Teleskopen des ALMA-Interferometers den fehlenden Datensatz ergänzten und ihre Resultate mit früheren Messungen kombinierten, um ein stimmiges Bild für den cooling flow in diesem Galaxienhaufen zu entwerfen. Sie bestätigten den Wert für die Gesamtmasse an molekularem Gas und machten in einem zweiten Schritt Gebrauch von dem außergewöhnlichen räumlichen Auflösungsvermögen des Interferometers und entdeckten so zehn einzelne Wolken aus kaltem molekularem Gas in den neuen Daten, die für ungefähr 70% der gesamten Strahlung des kalten Clustergases verantwortlich sind. Zwei dieser Wolken sind in Absorption gegen das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum von NGC 5044 zu sehen, die offenbar mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 250km/s nach innen fallen und gegenwärtig geschätzt fünfzig Lichtjahre von diesem Zentrum entfernt sind. Die Ergebnisse lösen die frühen Mehrdeutigkeiten für den cooling flow in diesem Haufen auf und helfen, das offene Rätsel über das Schicksal von Gas in cooling flows in den Zentren von Galaxienclustern in Angriff zu nehmen.

Literatur:

„Atacama Compact Array Measurements of the Molecular Mass in the NGC 5044 Cooling Flow Group“

Gerrit Schellenberger, Laurence P. David, Jan Vrtilek, Ewan O’Sullivan, Jeremy Lim, William Forman, Ming Sun, Francoise Combes, Philippe Salome, Christine Jones, Simona Giacintucci, Alastair Edge, Fabio Gastaldello, Pasquale Temi, Fabrizio Brighenti, and Sandro Bardelli

The Astrophysical Journal, 894, 72, 2020

oder

arXiv:2004.01717v1 [astro-ph.GA] 3 Apr 2020