Messung der Distanz bis zur gegenüberliegenden Seite der Galaxis

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Der Blick eines Künstlers auf die Milchstraße, mit den relativen Positionen der Erde und eines Wassermasers in einer Sternentstehungsregion auf der anderen Seite der Milchstraßen, dessen Entfernung durch radiointerferometrische Parallaxentechnik nun genau bestimmt worden ist. Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF; Robert Hurt, NASA

Die Größe und Form unserer Galaxis, die Milchstraße, spiegelt nicht nur ihre heutige Struktur, sondern auch ihre Entwicklungsgeschichte wider und liefert Einzelheiten, die die Grundlage für unser Verständnis aller Galaxien bilden. Die Information ist auch wichtig, da sie es Astronomen ermöglicht, Entfernungen zu Objekten in der Milchstraße relativ zu den Entfernungen anderer Objekte zu bestimmen. Entfernung stellt oft die größte Unsicherheit dar, wenn man die absolute (nicht die scheinbare) Leuchtkraft, Masse oder andere physikalische Eigenschaften eines Sterns berechnen will. Im Gegenzug ermöglicht die Kenntnis genauer Entfernungen zu Objekten in der Milchstraße den Astronomen, ein stimmiges Bild von Größe und Form der Galaxis zu erstellen. Derzeit werden für viele Objekte in der Galaxis, und besonders für Molekülwolken und andere im Optischen nur schwach leuchtende Objekte, Entfernungen durch deren Geschwindigkeiten gemessen und diese an ein Rotationsmodell der Galaxis angepasst, somit Geschwindigkeiten mit den zugehörigen „kinematischen“ Entfernungen überschlägig verbunden.

Die Entfernungen zu benachbarten Sternen sind genau und sorgfältig mit der Parallaxentechnik bestimmt worden. Wenn ein Himmelskörper aus verschiedenen, weit voneinander getrennten Blickwinkeln betrachtet wird, ändert sich seine Position in Bezug auf ferne Hintergrundsterne oder Galaxien: diese Winkelabweichung ist seine Parallaxe. Die Parallaxe wird verwendet, um die Entfernungen zu den Sternen zu triangulieren, in dem man von diesen die vermeintlichen Winkelverschiebungen mißt, die sechs Monate auseinanderliegen, wenn die Erde sich auf den gegenüberliegenden Seiten ihrer Umlaufbahn um die Sonne befindet. Diese überlieferte Technik hat in der Vergangenheit meist für nah gelegene Sterne funktioniert, da ihre Winkelparallaxen vergleichsweise groß und die Sterne hell genug sind, um klar gesehen zu werden und demzufolge leicht zu messen sind. Die Technik ist so einfach, daß Astronomen für nahezu ein Jahrhundert (seit die Milchstraße als eine Galaxie erkannt worden ist) versucht haben, ein vollständigeres Bild mit Hilfe fortschreitender genauerer Winkelmessungen zusammenzusetzen.

Die CfA-Astronomen Mark Reid und Tom Dame sowie drei Kollegen konnten jetzt den Abstand zu einer Quelle auf der anderen Seite der Galaxis mit Erfolg genau vermessen, ein Gebiet, dessen Entfernung bislang unmöglich zu ermitteln gewesen ist, da es so weit entfernt und in hohem Maß durch interstellaren Staub abgedunkelt ist. Die Quelle ist ein Wassermaser in dem sogenannten Scutum-Centaurus-Arm der Galaxis; ein Wassermaser liefert laserähnliche Strahlung aus einer Gaswolke, die normal mit aktiven Sternentstehungsregionen verbunden wird. Die Astronomen nutzten ihr laufendes Forschungsprogramm am Very Long Baseline Interferometry (VLBI), um den Maser im Lauf des Jahres 2014 – 2015 zu beobachten. Sie vermaßen die Lage des Masers in Bezug auf einen sehr weit entfernten Quasar, bezogen die Korrektur für die Auswirkungen der Bewegung der Quelle mit ein und erhielten einen Parallaxenwinkel von 0.000049 Bogensekunden (eine Bogensekunde ist die Winkelausdehnung eines Dime in zwei Kilometer Entfernung). Die entsprechende Distanz beträgt 66.500 Lichtjahre, mit einer Unsicherheit von ungefähr 14%. Die Resultate stellen nicht nur einen neuen Meilenstein für die Messung der Entfernung galaktischer Objekte dar, sie versetzten die Forscher auch in die Lage zu bestätigen, daß die Methode der kinematischen Entfernung näherungsweise korrekt ist, sogar in fernen Bereichen der Galaxis und erlaubte ihnen, einen Spiralarm der Galaxis für nahezu eine vollständige Umdrehung zu verfolgen.

Literatur:

„Mapping Spiral Structure on the Far Side of the Milky Way“

Alberto Sanna, Mark J. Reid, Thomas M. Dame, Karl M. Menten, and Andreas Brunthaler

Science 13 Oct 2017: Vol. 358, Issue 6360, pp. 227-230