Laborgestützte Astrophysik

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Das elektrostatische Potential um das negativ geladene Molekül C6H–. Dieses Molekül ist jüngst im All entdeckt worden und Beobachtungen im Labor durch Wissenschaftler des Smithsonian Instituts haben unlängst seine spektralen Eigenschaften entschlüsselt. Die Astrophysik im Labor hat wichtige Beiträge zu allen Bereichen der Astronomie geliefert.


Das elektrostatische Potential um das negativ geladene Molekül C6H–. Dieses Molekül ist jüngst im All entdeckt worden und Beobachtungen im Labor durch Wissenschaftler des Smithsonian Instituts haben unlängst seine spektralen Eigenschaften entschlüsselt. Die Astrophysik im Labor hat wichtige Beiträge zu allen Bereichen der Astronomie geliefert.
Der Begriff “Astrophysik im Labor” klingt geradezu wie ein Widerspruch in sich; wie kann die Ausrüstung in einem kleinen Raum die kosmischen Effekte nachstellen, die in der Weite des Alls beobachtbar sind. Aber genau genommen beruht vieles in der modernen Astrophysik in hohem Maße auf Schlußfolgerungen, zu denen man in der winzigen Umgebung kontrollierter Laborbedingungen gelangte. Sowohl ein besseres Verständnis für die im All wirksamen physikalischen Mechanismen als auch die Entwicklung von Werkzeugen, die zur Beobachtung des Universums eingesetzt werden, haben ihre Wurzeln im Labor. Zudem beinhaltet die Labor-Astrophysik als Fachrichtung eine theoretische wie auch eine experimentelle Ausrichtung.
Atome und Moleküle im All senden Strahlung aus, die nicht nur ihre Häufigkeit verrät, sondern es den Forschern auch ermöglicht, ihre Temperatur und Bewegung zu messen und dadurch helfen, (mit Hilfe von Modellen) die Vergangenheit des Umfelds und mitunter die voraussichtliche Entwicklung zu ermitteln. Die Labor-Astrophysik umfaßt wissenschaftliche Kenntnisse auf sechs Gebieten der Physik: atomare, molekulare und verdichtete (Verhalten von Materialien bei extremen Dichten) Materie, Plasma (Verhalten von ionisiertem Gas), Kern- und Teilchenphysik. Die heutige Astronomie liefert darüber hinaus eine ertragreiche Forschungsgrundlage für einen erstaunlich großen Bereich wissenschaftlicher Fachrichtungen – zu den oben angeführten sechs Gebieten kommen noch allgemeine Chemie (Verhalten von Moleküle in extremen Umgebungen), Geologie (Untersuchung von Exoplaneten), Physik (Schwerkraft, Relativitätstheorie), Biologie (Bedingungen für Leben im Universum) und Mathematik/Computerwissenschaft hinzu. All diese verschiedenen Fachrichtungen, als auch die Technologien, die sie voranbringen, sind heutzutage in den Fluren der modernen Astronomie-Fachbereiche im Gespräch und macht die Astronomie zu einem wichtigen Ort für den interdisziplinären Fortschritt innerhalb der Wissenschaft. Die Astrophysik im Labor untermauert viele der Fortschritte, die erreicht wurden.
Nancy Brickhouse vom SAO hat mit dreizehn weiteren Kollegen im Februar 2012 im Journal „Reports on progress in physics“ einen bedeutsamen und umfassenden Übersichtsartikel über die wichtige Rolle der laborgestützten Astrophysik bei der Beantwortung fundamentaler Fragen in Astronomie und Astrophysik veröffentlicht, in der die Autoren die Entdeckungen des letzten Jahrzehnts beleuchten. Sie betrachten sechs große Bereiche – Planeten und Planetensysteme, Sterne, interstellare Materie, Galaxien und Kosmologie. Die Arbeit liefert nicht nur einen hilfreichen Überblick zum Fortschritt, der auf diesen Gebieten erzielt wurde, sie verdeutlicht auch die konkreten Auswirkungen, welche die Forschung der laborgestützten Astrophysik erlangt hat und liefert eine neue Wertung von der Bedeutung, wie Forschung in einem kleinen Labor unser Verständnis von einem riesigen Universum formt.