Kalte Staubkerne in der zentralen Zone der Milchstraße

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://www.cfa.harvard.edu)

Ein Dreifarbenbild der Zentralen Molekülzone der Milchstraße, sowohl in dichtem molekularem Gas (rot) als auch im Ferninfrarot (grün) und Nahinfrarot (blau); bedeutsame Regionen sind beschriftet. Astronomen haben einen neuen Katalog der dichtesten, sternbildenden Kerne von einer Seite der Region bis zur anderen Seite erstellt.
Battersby et al. 2020

Die Zentrale Molekülzone (ZMZ) der Milchstraße erstreckt sich über die innersten 1600 Lichtjahre der Galaxis (im Vergleich dazu ist die Sonne 26,000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt) und umfaßt einen riesigen Komplex an Molekülwolken, die ungefähr sechzig Millionen Sonnenmassen an Gas enthalten. Das Gas in diesen Wolken trifft im Durchschnitt auf extremere physikalische Bedingungen als an anderen Orten in der Galaxis, mit höheren Temperaturen und Dichten, intensiveren Drücken, Magnetfeldern und Turbulenzen, sowie höherer Häufigkeit an kosmischer Strahlung als auch ultravioletter und Röntgenstrahlung. Die ZMZ ist deshalb ein einzigartiges Laboratorium für die Untersuchung von Sternentstehung: Nicht nur werden diese Bedingungen im Rest der Milchstraße selten beobachtet, sie scheinen sogar den Bedingungen in den äußerst leuchtkräftigen sternbildenden Galaxien des frühen Universums ähnlich zu sein und bieten einen indirekten, aufschlußreichen Blick zum Verständnis der kosmischen Geschichte der Sternentstehung, der anderweitig heute nicht möglich ist. Jedoch stellt sich eine große Frage: Die Sternentstehungsrate in der ZMZ ist viel geringer, als man erwarten würde, kaum ein Zehntel einer Sonnenmasse pro Jahr.

Die Geburtsstätten der Sterne werden für die dichtesten Regionen in riesigen Molekülwolken gehalten, sogenannte „Klumpen“, deren charakteristische Größe 1 – 10 Lichtjahre beträgt. Diese Klumpen fragmentieren zu gravitativ gebundenen „Kernen“, deren charakteristischen Größen ungefähr zehn Mal kleiner sind; aus diesen Kernen können sich eigene stellare Systeme bilden. Die Art der Übergänge zwischen diesen Entwicklungsschritten verlangen umfangreiche Durchmusterungen sowohl von sternbildenden als auch nicht sternbildenden Strukturen quer über die hierarchische, ununterbrochene Abfolge wichtiger Größen und physikalischer Bedingungen. Die CfA-Astronomen Cara Battersby, Eric Keto, Daniel Callanan, Nimesh Patel, Qizhou Zhang und Volker Tolls sowie ihre Kollegen haben die ZMZoom Durchmusterung veröffentlicht, eine vollständige und ergebnisoffene Karte von Gas hoher Dichte in der Region. Regionen mit hoher Dichte sind durch die Menge an molekularem Wasserstoffgas entlang ihrer Sichtlinien bestimmt und zeichnen sich durch so viel Staub aus, daß das sichtbare Licht vollständig blockiert wird.

Die Durchmusterung ergab sich aus einem großen, 550 Stunden umfassenden Programm des Submillimeter Array und führte zu neuen Katalogen der kompakten Kerne in der Region. 285 einzelne Kerne wurden dort zweifelsfrei entdeckt; weitere 531 sind vorläufig identifiziert. Die Kerne in der ZMZ sind, wie beschrieben, mögliche Orte für zukünftige Sternhaufen, aber helle Vorder- und Hintergrundstrahlung in Richtung des galaktischen Zentrums macht es schwierig, die Massen dieser Kerne genau zu bestimmen und sorgen dafür, daß der wichtige Vorbote der Sternentstehung höchst unsicher bleibt (die Strahlung ist auch einer der Gründe, weshalb es so schwierig war, diesen Katalog zu erstellen). Die Astronomen konnten allerdings das maximale Potential zur Sternbildung der Kerne in ihrem Katalog durch allgemeine, aber realistische Annahmen über die Massen, Temperaturen und anderer Eigenschaften der Kerne abschätzen. Sie finden ein Potential für eine maximale Sternentstehungsrate von 0.08 bis 2.2 Sonnenmassen pro Jahr, vielleicht gerade so viel wie die gegenwärtige durchschnittliche Sternentstehungsrate in der gesamten Galaxis. Das Ergebnis betont die rätselhafte Schwäche der heutigen Sternentstehung in der ZMZ. Die Durchmusterung, durch Katalogisierung all der Kerne für eine Untersuchung, ist ein weiterer Schritt zum Verständnis der Sternentstehung in den extremen Umgebungen, die in der ZMZ und im frühen Universum gegenwärtig sind.

Literatur:

„CMZoom. II. Catalog of Compact Submillimeter Dust Continuum Sources in the Milky Way’s Central Molecular Zone“

H Perry Hatchfield, Cara Battersby, Eric Keto, Daniel Walker, Ashley Barnes, Daniel Callanan, Adam Ginsburg Jonathan D. Henshaw, Jens Kauffmann, J. M. Diederik Kruijssen, Steve N. Longmore, Xing Lu, Elisabeth A. C. Mills, Thushara Pillai, Qizhou Zhang, John Bally, Natalie Butterfield, Yanett A. Contreras, Luis C. Ho, Jürgen Ott, Nimesh Patel, and Volker Tolls

Astrophysical Journal Supplement Series 251, 14, 2020

oder

arXiv:2009.05052v2 [astro-ph.GA] 18 Dec 2020