Ionisierung des Universums mit Oligarchen

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine Hubble-Aufnahme der Starburst-Galaxie M82. Astronomen haben die Folgerung gezogen, daß im jungen Universums die Reionisation des Gases im intergalaktischen Medium vermutlich durch ultraviolettes Licht erfolgte, das während der Sternentstehung in sehr großen Starburst-Galaxien abgestrahlt wurde.
NASA, ESA and the Hubble Heritage Team; STScI/AURA

Das heute zwischen den Galaxien zu findende, spärlich verteilte heiße Gas, das intergalaktische Medium (IGM), ist ionisiert. Das frühe Universum begann heiß, aber dann dehnte es sich sehr schnell aus, kühlte ab und erlaubte es seinem Hauptbestandteil, Wasserstoff, sich mit Elektronen zu verbinden und neutrale Atome zu bilden. Wann und wie wurden die Atome reionisiert, um das IGM zu bilden, das wir heute sehen? Astronomen vermuten, daß von massereichen jungen Sternen abgestrahltes ultraviolettes Licht dieses Werk verrichteten, als Sterne begannen, sich zu formen und zu leuchten, in einem kosmischen Zeitalter, das nach dieser Aktivität die „Ära der Reionisation“ genannt wird.

Ein entscheidender Schritt bei der Reionisierung des IGM ist das Entkommen der ultravioletten Strahlung aus den Galaxien in das IGM, aber dies ist nicht gut verstanden. Astronomen wissen nicht mehr, als daß dies nur dann hätte effizient sein können, wenn der entkommende Anteil an Sternlicht hoch genug war, um diese Arbeit verrichten zu können. Allerdings sind sternbildende Galaxien voller dichtem molekularem Gas und Staub und Staub auch noch viel UV-Strahlung absorbiert. Dies legt nahe, daß eine andere wichtige Quelle an ionisierender Strahlung benötigt wird und Spekulationen haben die Existenz von exotischen Objekten wie lichtschwache Quasare, Röntgendoppelsterne oder etwa auch zerfallende/zerstrahlende Teilchen für möglich gehalten. Es gibt bislang jedoch wenig Hinweise, daß irgendeiner dieser exotischen Objekte häufig genug oder imstande ist, diese Arbeit zu leisten.

Die Astronomen Rohan Naidu, Sandro Tacchella, Charlotte Mason, Sownak Bose und Charlie Conroy vom CfA leiteten einen Versuch, um die unsicherste Größe in diesem Rätsel (und die am schwierigsten direkt zu messende) besser abzuschätzen: den Anteil der ionisierenden Photonen, die den Galaxien entkommen. Sie verglichen Messungen und Modelle zweier anderer, wichtiger Prozesse, die daran beteiligt sind: die Sternentstehungsrate in Galaxien und die Anzahl der produzierten UV-Photonen. Mit deren Hilfe grenzten sie den Anteil ein, den die entkommenden Photonen haben müßten, um Modelle stimmig zu machen. Die Messungen sind unstrittig, aber die Modelle unterscheiden sich und die Wissenschaftler wählten aus zwei Arten aus: diejenigen, bei denen die Rate der entkommenden Photonen während der Ära der Reionisation gleich bleibt und diejenigen, bei denen die Rate der entkommenden Photonen von der Sternentstehungsrate abhängt.

Die Astronomen konnten mehrere wichtige Folgerungen ziehen. Der Anteil der entkommenden Photonen (zumindest für helle Galaxien) muß im frühen Universum bei ungefähr 20% liegen, etwa doppelt so viel wie bis dahin gegolten hatte. Sie folgern, daß dies daran liegen könnte, daß geballte Sternentstehungsregionen Kanäle freiblasen können, durch die UV-Licht entkommt. Mittels kosmologischer Simulationen finden sie zudem, daß in nur dreihundert Millionen Jahren im jungen Universum der Anteil des neutralen Gases von 90% auf nur 10% abfällt. Nicht zuletzt kommen sie zu dem Schluß, daß ein Großteil der Reionisation durch eine kleine Zahl der massereichsten und leuchtkräftigsten Galaxien erfolgte, die sie „Oligarchen“ nennen. Frühere Studien hatten nahegelegt, daß es eine große Zahl an lichtschwachen Galaxien gab, die diesen Zweck erfüllen könnte, aber die neuen Ergebnisse stehen dem entgegen mit dem Schluß, daß solch eine Population bereits entdeckt worden wäre.

Literatur:

„Rapid Reionization by the Oligarchs: The Case for Massive, UV-bright, Star-forming Galaxies with High Escape Fractions“

Rohan P. Naidu, Sandro Tacchella, Charlotte A. Mason, Sownak Bose, Pascal A. Oesch, and Charlie Conroy

The Astrophysical Journal 892, 109, 2020

oder

arXiv:1907.13130v2 [astro-ph.GA] 3 Apr 2020