Exoplaneten in Trümmerscheiben

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Eine künstlerische Darstellung der staubhaltigen Trümmerscheibe eines Sterns, von der man an-nimmt, daß sie entsteht, wenn Asteroiden oder andere Planetesimale zusammenstoßen und zerbrechen. Astronomen, die die Trümmerscheibe um den Stern HD 206893 untersuchen, haben in der Scheibe eine große Lücke entdeckt, die sich ungefähr von 50 bis 185 AU vom Stern entfernt erstreckt. Nach der Modellierung des Systems kommen sie zu dem Schluß, daß es einen Planeten mit 1.4 Jupitermassen gibt, der in einer Entfernung von rund 79 AU um den Zentralstern kreist.
NAOJ

Trümmerscheiben um Hauptreihensterne sind dünne Staubgürtel, die vermutlich entstehen, so die Annahme, wenn Asteroiden oder andere Planetesimale zusammenstoßen und zerbrechen. Sie sind weit verbreitet: Mehr als ein Viertel aller Hauptreihensterne haben Trümmerscheiben, und da diese Scheiben schwer zu entdecken sind, ist es möglich, daß der Anteil noch höher ist. Derzeitige Instrumente können Trümmerscheiben nur in Systemen aufspüren, die mindestens eine Größenordnung heller sind als die Scheibe, die vom Kuiper-Gürtel des Sonnensystems gebildet wird (die Region, die sich von der Umlaufbahn des Neptun ungefähr dreißig bis etwa fünfzig AU erstreckt).

Der Staub in Trümmerscheiben ist an sich schon eine Untersuchung wert, bietet aber auch eine Möglichkeit, die Eigenschaften von Planetensystemen zu untersuchen. Die größten Staubkörner (bis zu einem Millimeter Größe), deren gemeinschaftliche Streuung mit Teleskopen wie ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) gemessen wird, sind von Sternwinden oder Strahlungsdruck relativ unbeeinflußt. Vielmehr verrät ihre Verteilung die Auswirkungen von Schwerkraft und Kollisionen. Die „chaotische Zone“ ist der ausgedehnte Bereich um einen Planeten, in dem der Staub keine durch die Gravitation bedingten, stabilen Umlaufbahnen hat, was zu einer Lücke führt, deren Breite unter anderem von der Masse des Planeten abhängt. Ein Planet in einer Trümmerscheibe kann eine solche Lücke hervorbringen, und aus der Messung der Abmessungen der Lücke läßt sich die Masse des Planeten ableiten – ein wichtiger Parameter für Exoplaneten, der sonst nur schwer zu ermitteln ist.

Die CfA-Astronomen Sean Andrews und David Wilner gehörten zu einem Team, das mit ALMA die bekannte Trümmerscheibe um den etwa 135 Lichtjahre von uns entfernt gelegenen Stern HD 206893 untersucht hat. Der Stern wird auch von einem Braunen Zwerg begleitet, der ihn in einer Entfernung von ungefähr 10 AU umkreist und dessen Masse etwa 15 – 30 Jupitermassen beträgt. Die ALMA-Bilder lösen die Scheibe räumlich auf – sie erstreckt sich von etwa 50 – 185 AU – und die Astronomen finden Hinweise auf eine Lücke, die sich von etwa 63 – 94 AU erstreckt. Wenn die Lücke von einem einzelnen Planeten auf einer kreisförmigen Umlaufbahn verursacht wurde, sollte gemäß der Theorie der chaotischen Zone der Planet ungefähr 1.4 Jupitermassen besitzen und in einer Entfernung von etwa 79 AU kreisen. ALMA-Beobachtungen mit höherer Auflösung könnten in der Zukunft dazu beitragen, das dynamische Verhalten des Braunen Zwergs einzugrenzen sowie die Charakterisierung des vermuteten neuen Planeten zu verbessern.

Literatur:

„Resolving Structure in the Debris Disk around HD 206893 with ALMA“

Ava Nederlander, A. Meredith Hughes, Anna J. Fehr, Kevin M. Flaherty, Kate Y. L. Su, Attila Moór, Eugene Chiang, Sean M. Andrews, David J. Wilner, and Sebastian Marino

The Astrophysical Journal 917, 5, 2021

oder

arXiv:2101.08849v1 [astro-ph.EP] 21 Jan 2021