Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Ein Kugelsternhaufen ist eine nahezu kugelförmige Ansammlung von bis zu mehreren Millionen Sternen, die durch die Schwerkraft gruppenweise zusammengehalten werden und deren Durchmesser nur einige zehn Lichtjahre betragen können. Um die spektakulären Konsequenzen dieser dichten Packung auch nur zu erahnen, muß man bedenken, daß der zur Sonne nächstgelegene Stern, Proxima Centauri, ungefähr vier Lichtjahre entfernt ist. Messier 4 (M4) ist der zur Erde nächstgelegene Kugelsternhaufen in einer Entfernung von etwa sechstausend Lichtjahren und gibt den Astronomen Rätsel auf. Normale Effekte der Schwerkraft sollten im Laufe der Zeit die Sterne in einem Kugelsternhaufen so umverteilen, daß sie zum Zentrum hin zahlreicher werden, aber obwohl M4 eine Anhäufung an Sternen im Zentrum zeigt, gibt es keinen Hinweis für einen steilen, um den Haufenmittelpunkt gelegenen Anstieg der Sternanzahl, auch wenn Astronomen vermuten, daß genügend Zeit dafür vergangen ist.
Um zu verstehen, was in diesem Kugelsternhaufen vorgeht und um zu helfen zu verstehen, wie sich solche Haufen im Allgemeinen entwickeln, haben CfA-Astronomin Maureen van den Berg und ihre Kollegen mit dem Hubble-Weltraum-Teleskop eine große und bislang nicht gekannte Zahl an tiefen Aufnahmen von M4 auf der Suche nach Doppelsternsystemen aufgenommen. Die dynamischen Wechselwirkungen zwischen den dicht gedrängten Sternen in einem Kugelsternhaufen sollten viele dieser Doppelsternsysteme auseinanderreißen, aber aus nicht verstandenen Gründen sind ungefähr fünfzehn Prozent der Sterne in M4 Doppelsternsysteme, jedenfalls auf Grund der Beobachtung von Helligkeitsschwankungen (eine typischere Zahl ist zwei Prozent). Auf jeden Fall ist dieses ungewöhnlich häufige Auftreten von Binärsystemen verbunden mit der Abwesenheit eines Anstiegs der stellaren Dichte im Kugelzentrum und ist ebenso unverstanden.
Die Astronomen machten sich mit Hubble daran, den Bestand an Doppelsternsystemen in M4 zu untersuchen und ermittelten sowohl Helligkeitsschwankungen als auch Änderungen im Wackeln (astrometrisch) der Sterne, hervorgerufen insbesondere durch Doppelsternsysteme mit einem massereichen und lichtschwachen Begleiter wie einem Weißen Zwerg oder Neutronenstern. Die Gruppe konnte in viel größerem Umfang Binärsysteme finden und charakterisieren, wozu auch sechsunddreißig neue Veränderliche zählen. Beiläufig schreiben sie, daß im Rahmen der Suche jeder Stern mit Exoplaneten von der Art des massereichen „heißen Jupiters“ vermutlich ebenfalls entdeckt worden wäre, doch es ließen sich keine finden. Die umfangreichen Befunde werden immer noch analysiert, aber die bessere Statistik wird die Schlussfolgerungen viel zuverlässiger machen.
Literatur:
“The M 4 Core Project with HST – III. Search for variable stars in the primary field”
V. Nascimbeni, L. R. Bedin, D. C. Heggie, M. van den Berg, M. Giersz, G. Piotto, K. Brogaard, A. Bellini, A. P. Milone, R. M. Rich, D. Pooley, J. Anderson, L. Ubeda, S. Ortolani, L. Malavolta, A. Cunial, and A. Pietrinferni
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 442, 2381–2391 (2014)