Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Unsere Milchstraße ist eine Balkenspiralgalaxie, eine abgeflachte Scheibe aus Sternen, Gas und Staub, mit einem Durchmesser von ungefähr 100.000 Lichtjahren und in der mehrere Hundert Millionen Sterne beheimatet sind. Davon sind ungefähr 0.5% Rote Riesen. Diese Sterne haben von ihrem Brennstoff, dem Wasserstoff, das meiste verbraucht und die äußeren Schichten haben sich ausgedehnt und dabei abgekühlt. Rote Riesen, obschon selten, sind riesig und leuchtkräftig, an die 10.000-mal heller als ihre kleineren und viel zahlreicheren stellaren Verwandten. Unsere Sonne wird sich in den kommenden acht Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen entwickeln, während sich ihr Radius über die gegenwärtige Umlaufbahn des Merkur ausdehnt.
Die galaktische Scheibe ist von einem großen kugelförmigen, diffusen Halo umgeben, der einen Durchmesser von etwa 500.000 Lichtjahren besitzt, (auch wenn sich seine unscharfe Begrenzung über viel größere Entfernungen erstrecken könnten) und der ebenfalls Rote Riesen beheimatet. Da Rote Riesen groß und leuchtkräftig sind, können sie bei weit größeren Entfernungen als viele andere Sterne entdeckt werden und sind so ein wichtiges Werkzeug bei der Untersuchung der entlegenen Regionen des galaktischen Halos. Die Astronomen John J. Bochanski, Beth Willman, Nelson Caldwell, Robyn Sanderson, Andrew A. West, Jay Strader und Warren Brown haben jetzt die Entdeckung des entferntesten Sterns in der Milchstraße veröffentlicht: der etwa 900.000 Lichtjahre entfernt gelegene Rote Riese ULAS J001535.72+015549.6. Zum Vergleich: die Große Magellansche Wolke, eine kleine Nachbargalaxie, liegt fünfmal näher an der Milchstraße. Vor der Entdeckung dieses Roten Riesen (und eines zweiten, geringfügig näheren, auch aus dieser Studie) waren die sieben entferntesten bekannten Sterne ungefähr 500.000 Lichtjahre entfernt.
Woher stammt ULAS J001535.72+015549.6? Gegenwärtig gibt es hierzu drei Theorien. Die erste besagt, daß er nicht Teil der Milchstraße, sondern Mitglied einer sehr lichtschwachen, nicht entdeckten, in der Nähe gelegenen Zwerggalaxie ist. Gemäß der zweiten Theorie wurde er aus der Scheibe der Milchstraße herausgeschleudert, vielleicht als ein Binärsystem oder ein System aus einem Schwarzes Loch und einem Stern zerrissen wurde. Die dritte Hypothese geht davon aus, daß er aus einer bis jetzt unentdeckten, nah gelegenen Zwerggalaxie herauskatapultiert wurde. Die Astronomen benutzten das MMT-Teleskop am Mt. Hopkins, um das Spektrum des Sterns aufzunehmen und so zu versuchen, dieses Rätsel zu lösen; doch sind die Ergebnisse bisher mehrdeutig. Weitere Beobachtungen sind geplant, aber einstweilen ermöglicht diese Entdeckung den Astronomen, die Theorien zur Entstehung und Entwicklung der Milchstraße, ihrer kleineren Nachbargalaxien und des galaktischen Umfelds zu testen.
Literatur:
“The Most Distant Stars in the Milky Way”
John J. Bochanski, Beth Willman, Nelson Caldwell, Robyn Sanderson, Andrew A. West, Jay Strader und Warren Brown
The Astrophysical Journal Letters, 790:L5 (6pp), 2014 July 20