Die orbitale Flachheit von planetaren Systemen

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Eine künstlerische Darstellung der sieben Planeten im System TRAPPIST-1, welche den Stern in einer besonders gering geneigten Ebene umkreisen. Astronomen haben diese geringe Neigung des Systems genutzt, um die Eigenschaften und Entwicklung der protoplanetaren Scheibe einzugrenzen.
NASA/JPL-Caltech/R. Hurt, IPAC

Die Planeten im Sonnensystem umkreisen die Sonne alle mehr oder weniger in einer Ebene. Im Vergleich zur Erdumlaufbahn, die für die Ebene den Neigungswinkel zu null Grad definiert, ist die Umlaufbahn des Merkur diejenige mit dem größten Winkel, bei der die Inklination 7 Grad beträgt (der Winkel der Umlaufbahn des Zwergplaneten Pluto beläuft sich auf 17.2 Grad). Die Bahneigenschaften von Planeten bilden sich heraus, während sich die protoplanetare Scheibe aus Gas und Staub auflöst und indem die jungen Planeten selbst in der Scheibe als Reaktion auf ihre gegenseitige gravitative Beeinflußung und der Effekte von Material in der Scheibe wandern. Astronomen gehen demzufolge davon aus, daß das orbitale Erscheinungsbild eines planetaren Systems seine Entwicklungsgeschichte widerspiegelt.

Das Planetensystem TRAPPIST-1 besteht aus sieben erdgroßen Planeten, die einen kleinen Stern (mit einer Masse von nur 0.09 Sonnenmassen) in etwa vierzig Lichtjahren Entfernung von der Sonne umkreisen. Zuerst mit den TRAPPIST-Teleskopen entdeckt, haben Folgebeobachtungen mit der IRAC-Kamera an Bord von Spitzer sowie der K2-Mission, neben weiteren, nunmehr die planetaren Massen mit Genauigkeiten zwischen 5 – 12% bestimmt und andere Eigenschaften des Systems noch genauer erfaßt. Außergewöhnlich ist: es handelt sich um das bei weitem flachste System, das man kennt: seine Bahnneigung liegt bei nur 0.072 Grad. Diese extreme Flachheit ist möglicherweise eine sehr starke Einschränkung für die Bildung und Entwicklung des Systems. Das System ist zudem sehr eng gepackt, wobei der entfernteste der sieben Planeten in nur 0.06 Astronomischen Einheiten um seinen Stern kreist (in unserem Sonnensystem ist Merkur mehr als fünf Mal so weit entfernt). In solch einer kompakten Anordnung wird die gegenseitige gravi-tative Anziehung der Planeten besonders starken Einfluß auf Einzelheiten, wie etwa die Bahnneigungen, nehmen.

Die CfA-Astronomen Matthew Heising, Dimitar Sasselov, Lars Hernquist und Ana Luisa Tió Humphrey benutzten 3D-Computersimulationen der gasförmigen Scheibe und der Planeten, um eine Reihe von möglichen Entstehungsmodellen zu untersuchen, darunter mehrere, die in vorangegangenen Untersuchungen vorgeschlagen wurden. Da man weiß, daß die gasförmige protoplanetare Scheibe die Wanderungseigenschaften der Planeten beeinflußt, waren die Forscher auch besonders daran interessiert zu erfahren, was die geringste Scheibenmasse für das System TRAPPIST-1 gewesen sein könnte. Sie passten das Computerprogramm AREPO an, das bereits in der Vergangenheit hauptsächlich für kosmologische Simulationen erfolgreich benutzt wurde.

Die Astronomen kommen zu dem Ergebnis, daß, in Übereinstimmung mit einigen früheren Vermutungen, die sieben Planeten sich vermutlich der Reihe nach bilden, jeder zunächst in einer Entfernung vom Stern, wo die Temperatur für Wasser stark genug abfällt, um zu gefrieren, und dann nach innen wandern, wobei sie auf dem Weg langsam wachsen und anhalten, wenn ihre Umlaufbahnen durch die Anwesenheit der anderen Planeten in geeigneter Weise beeinflußt werden. Es ist nur eine moderate Scheibenmasse erforderlich, circa 0.04 Sonnenmassen, um mit den Modellen auch die Verteilung von Material innerhalb der Scheibe zu untersuchen und zudem können die Astronomen Scheibenmassen von mehr als etwa dem fünfzehnfachen dieses Wertes ausschließen. Die neue Arbeit demonstriert, wie Simulationen von Planetensystemen genutzt werden können, um bemerkenswerte Einzelheiten darüber abzuleiten, wie sie sich bildeten und entwickelten.

Literatur:

„How Flat Can a Planetary System Get? I. The Case of TRAPPIST-1“

Matthew Z. Heising, Dimitar D. Sasselov, Lars Hernquist, and Ana Luisa Tió Humphrey

The Astrophysical Journal 913, 126, 2021