Neueste Ergebnisse von Messungen des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Das in der Antarktis bei der Amundsen-Scott-Südpol-Station gelegene BICEP3-Teleskop. (Die metallene Umfassung des Teleskops schirmt vor reflektiertem Licht des umgebenden Eises ab.) Neue Ergebnisse aus der BICEP3-Datenauswertung im Verbund mit früheren Daten und den Datensätzen von Weltraummissionen haben bisherige Beschränkungen für die Art von Modellen der Inflation verfeinert, die die allerersten Augenblicke des Universums beschreiben könnten.
Steffen Richter

Das Universum entstand vor 13.8 Milliarden Jahren in einem Lichtblitz – dem Urknall. Etwa 380,000 Jahre später, nachdem Materie (größtenteils Wasserstoff) ausreichend abgekühlt war, um neutrale Atome zu bilden, konnte Licht den Raum ungehindert durchqueren. Dieses Licht, die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (CMB), kommt aus allen Himmelsrichtungen gleichförmig auf uns zu – so schien es zunächst. In den letzten Jahrzehnten haben Astronomen entdeckt, daß die Strahlung selbst feinste Helligkeitsschwankungen in einer Größenordnung von nur einem Hunderttausendstel aufweist – die Saat für zukünftige Strukturen wie etwa Galaxien.

Astronomen haben vermutet, daß diese Schwankungen auch Spuren auf einen ersten Ausbruch an Expansion enthalten – die sogenannte Inflation – die das neu erschaffene Universum in nur 10-33 Sekunden um den Faktor 1033 aufblähte. Hinweise auf die Inflation sollten sich schwach in der Art darstellen, in der sich die Schwankungen, die auf Gravitationswellen in der kosmischen Anfangsphase zurückzuführen sind, kräuseln, und die voraussichtlich vielleicht einhundert Mal schwächer ist als die Schwankungen selbst.

Der Kräuselungseffekt erzeugt die als “B-Mode-Polarisation” bekannten Muster im Licht und man erwartet, daß sie überaus schwach sind. Andere exotische Prozesse sind im Universum am Werk, um diese entmutigende Messung noch viel herausfordernder zu machen. Der Wichtigste ist ein schwaches Leuchten, das von Staubteilchen in unserer Galaxis stammt, die durch Magnetfelder ausgerichtet worden sind. Auch dieses Licht ist polarisiert und kann durch Magnetfelder so verdreht worden sein, daß es B-Mode-Polarisationsmuster erzeugt. Radiowellen aus unserer Galaxis können ähnliche Effekte hervorrufen. Vor rund acht Jahren (siehe „Erste Messung der Kräuselung in den Schwankungen im kosmischen Hintergrund“ vom 22.11.2013) informierten CfA-Astronomen, die am Südpol arbeiteten, über ein erstes Indiz für solch eine Kräuselung, der “B-Mode-Polarisation”, auf einem Niveau, das mit einfachen Modellen der Inflation vereinbar ist, doch spätere Messungen bei verschiedenen Frequenzen (oder Farben) des Mikrowellenlichts zeigten, daß das Signal mit galaktischem Staub zu erklären ist.

Seit dieser ersten Messungen der B-Mode-Polarisation haben Astronomen zwischenzeitlich ihre sorgfältigen Messungen fortgesetzt und wertvolle Daten von vielen verschiedenen Frequenzen durch neue Teleskope, die am Südpol in Betrieb sind, hinzugefügt. Die Astronomen D. Barkats, H. Boenish, J. Connors, J. Cornelison, M. Dierickx, M. Eiben, D.C. Goldfinger, P. Grimes, S. Harrison, K.S. Karkare, J. M. Kovac, B. Racine, S. Richter, B.L. Schmitt, T. St. Germaine, C. Verges, C.L. Wong und L. Zeng vom CfA sowie ein großes Team an Kollegen haben jetzt eine Auswertung aller Daten von den Südpol-Experimenten BICEP2, Keck Array, und BICEP3 bis einschließlich 2018, beendet und die Resultate mit Befunden aus den CMB-Weltraummissionen Planck und WMAP abgeglichen. (Auch wenn die Datengewinnung dieser Missionen 2013 bzw. 2010 endete, geht die Datenauswertung weiter, und die Wissenschaftler nutzten für diese Arbeit die Veröffentlichung aus 2018.) Die neuen Resultate verfeinern die vorausgegangenen, besten Beschränkungen der Kräuselung um ungefähr einen Faktor zwei und liefern jetzt eine hilfreiche Orientierung für die Gruppen an Inflationsmodellen, die die frühesten Momente des Universums beschreiben könnten.

Eine große Gruppe einfacher Modelle ist jetzt weitgehend ausgeschlossen. Das Team berichtet, daß die am meisten favorisierten Modelle der verbleibenden Gruppe allererste Gravitationswellen auf einem Niveau vorhersagen, die innerhalb des nächsten Jahrzehnts mit verbesserten Teleskopen am Südpol entdeckt (oder ausgeschlossen) werden sollten. Das Team ist bereits beim Nachrüsten des BICEP-Systems und hofft, innerhalb von fünf Jahren Verbesserungen um einen Faktor von ungefähr drei zu erreichen, genug, um enge Randbedingungen für Inflationsmodelle festzulegen.

Literatur:

„Improved Constraints on Primordial Gravitational Waves using Planck, WMAP, and BICEP/Keck Observations through the 2018 Observing Season“

P. A. R. Ade et al.

Physical Review Letters, 127, 151301, 2021

oder

arXiv:2110.00483v1 [astro-ph.CO] 1 Oct 2021