Von Christian Roßberg und Bernd Scharbert, Update 2022 Christian Höhn-Lucht
Dieses Jahr im Herbst bietet sich eine gute Gelegenheit den Mars zu beobachten. Zum einen lässt er sich die ganze Nacht über beobachten. Schon jetzt ist er um 21:30 Uhr im Osten als helles Objekt zu sehen. Zum anderen zeigt er sich im Fernrohr besonders groß und am Himmel besonders hell. Erst 2033 und 2035 wird er ähnlich gut beobachtbar sein.
Ein kurzer Mars – Steckbrief
Der Mars hat einen Äquatordurchmesser von 6792 km – er ist also in etwa halb so groß wie die Erde. Seine Atmosphäre besteht überwiegend aus Kohlendioxid und ist nur 1/100 so dicht wie die irdische. An schönen Tagen kann es am Äquator auch mal 0°C und etwas drüber haben.
Was die Tageslänge angeht würden wir uns auf dem Mars fast wie zuhause fühlen: Er dreht sich in 24h 37m einmal um seine Achse.
Die Rotationsachse des Mars ist um 25,2° gegen die Bahnebene geneigt. Die der Erde um 23,5°. Das führt auch auf dem Mars zu Jahreszeiten! Während dieser Opposition ist auf der Südhalbkugel Sommer und auf der Nordhalbkugel Winter.
Es gibt jedoch schon einen Unterschied zur Erde: Bei uns entstehen die Jahreszeiten fast ausschließlich aufgrund der Achsneigung. Da die Erdbahn nahezu kreisförmig ist, hat der Abstand zur Sonne kaum einen Einfluss. Wenn auf der Nordhalbkugel Sommer ist, befindet sich die Erde in Sonnenferne!
Die Bahn des Mars ist jedoch recht elliptisch! Somit spielt sowohl die Achsenneigung als auch die Entfernung zur Sonne eine Rolle.
Was kann man wann sehen?
Vom Mars gibt es natürlich Karten. Dank der Raumsonden, die ihn umkreisen, sogar jede Menge und sehr detaillierte. Das ist schön – nur ist der Mars eben eine Kugel und man sieht nicht immer alles… Welche Seite zeigt also wann in Richtung Erde?
Genauso wie die Erde ein Koordinatensystem hat (geografische Länge und Breite), hat auch der Mars eines. Der Nullpunkt des irdischen Koordinatensystems geht durch den Ort Greenwich in England. Auf dem Mars geht der “Nullmeridian” durch den Krater Airy-0. Von dort aus wird nach Osten bzw. Westen gezählt – wie auf der Erde auch: Darmstadt liegt auf 8,7° östlicher Länge. Manchmal erfolgt die Darstellung aber auch wie in der Karte hier zusehen. Dann muss halt ein bisschen rechnen…
In der obenstehenden Marskarte sind am oberen Rand die Längengrade zu sehen. Mit ein bisschen guten Willen sieht man, dass “Nix Olympica” (oder auch “Olympus Mons” – der größte bekannte Vulkan des Sonnensystems) auf einer Länge von ungefähr 140° gefunden werden kann. Jetzt gilt es herauszufinden, wann der 140°-Meridian auf der Mars-Vorderseite zu sehen ist.
Ein Weg: Man arbeitet mit dem “Zentralmeridian”. Das ist der Meridian, der zu einer bestimmten Zeit genau mittig über das Planetenscheibchen geht. Achtung: Die Pole sind nicht – wie auf einer Karte – genau oben und unten! Wo der Südpol ist, kann aktuell gut auf dem Mars erkannt werden – von dort aus geht der Zentralmeridian quer über den Planeten zum anderen Pol (zumindest in ausreichend guter Näherung).
Wo findet sich die Angabe des aktuellen Zentralmeridians? Manche Astronomie-Programme berechnen diesen, z.B. SkySafari. Auch im Internet gibt es Quellen: https://www.buecke-info.de oder unter https://skyandtelescope.org.
Alternativ kann z.B. im kostenlosen Planetariums-Programm “Stellarium” der Mars so stark vergrößert werden, dass die Oberflächendetails sichtbar werden. So kann ebenfalls erkannt werden, was aktuell oder zu einem anderen Zeitpunkt auf dem Mars sichtbar ist.
Wie beobachtet man den Mars?
Mars wird bis zur Opposition mit -2,5 Magnituden sehr hell. Daher kann es sinnvoll sein durch den Blick in eine Lichtquelle das Auge zunächst an die Helligkeit zu gewöhnen und damit die sonst für astronomische Beobachtungen relevante Dunkeladaption des Auges aufzugeben. Man muss schon etwas Geduld mitbringen um auf der grellen Marsscheibe einzelne Bereiche zu erkennen.
Ein praktisches Hilfsmittel bei der Mars-Beobachtung sind Filter. Ein Orange-Filter (bei Teleskopen mit größerem Öffnungsverhältnis) oder ein Rot-Filter (bei Teleskopen mit kleinem Öffnungsverhältnis) unterdrücken den rötlichen Dunst der Mars-Atmosphäre, hebt Oberflächenstrukturen hervor und mildert Seeing-Effekte ab. Ein Blaufilter kann helfen um Wolken/Dunst in der Atmosphäre und die Polkappen hervorzuheben. Sollte ein Staubsturm einen Teil des Mars bedecken, kann dieser mit einem Hellgrünfilter hervorgehoben werden.
Was lässt sich erkennen?
In den Monaten vor der Opposition fällt die Phasengestalt des Mars auf. Seine von der Erde aus gesehen sonnenabgewandte Seite ist dann ca. 85% beleuchtet. Die Beleuchtung nimmt stetig zu, bis sie zur Opposition 100% erreicht und danach wieder abnimmt.
Einfach zu erkennen ist das helle Wasser- und Kohlendioxid-Eis der Südpol-Kappe. Diese schmilzt bis zu Opposition deutlich ab, denn im September 2022 ist Sommeranfang auf der Südhalbkugel des Mars.
Geduld muss man zur Beobachtung von Albedo-Strukturen aufbringen und selbst bei gutem Seeing längere Zeit beobachten um die kurzen Momente mit noch geringerer Luftunruhe zu erwischen. Bei den Albedo-Strukturen handelt es sich um Bereiche auf dem Mars die das Licht der Sonne unterschiedlich stark reflektieren.
Die klassischen Bezeichnungen dieser Strukturen gehen auf eine Nomenklatur des Astronomen Giovanni Schiaparelli (1835 bis 1910) zurück. Bei der Beobachtung durch Teleskope interpretierten Astronomen in dieser Zeit zum Beispiel dunkle Gebiete als Seen (Lacus) oder Meere (Mare). Mit den ersten Marssonden wurde klar, dass es auf dem Mars keine Gewässer gibt und es wurden moderne Bezeichnungen wie z.B. Ebene (Planum) eingeführt.
Welche dieser Strukturen sich beobachten lassen hängt von der Neigung des Mars (also sozusagen der Jahreszeit) sowie vom Beobachtungszeitpunkt ab. Durch die leicht unterschiedlichen Rotations-Perioden von Mars (24:37 Std.) und Erde (23:56 Std.) verschiebt sich der Zentral-Meridian (ZM) jeden Tag um ca. -10° bei gleicher Beobachtungszeit. Bzw. der gleiche Zentral-Meridian (ZM) ist jeden Tag ca. 41 Minuten später.
Eine sehr auffällige Albedo-Struktur ist die Syrtis Major (Große Syrte, “Golf von Sidra”) bei ZM=290°. Eine große Hochebene aus meist dunklem Lava die im Jahr 1659 erstmal von Christiaan Huygens durch ein Teleskop beobachtet wurde.
Bei dem südlich darüber liegenden Hellas Becken (Hellas Platina, ZM=300°) handelt sich um einen ca. 2.200 * 1.600 km großen und bis zu 9km tiefen Impakt-Krater. Das Arabia Terra bei ZM=330° ist eine mit Impaktkratern überzogene Hochlandregion.
Das durch riesige Canyons und das “Marsgesicht” bekannte Mare Acidalium (Acidalia Planitia) bei ZM=40° ist derzeit nur teilweise zu sehen. Da der Nordpol des Mars der Erde abgewandt ist, sehen wir ihn nur bis ca. 60° nördlicher Breite. Das Mare Erythraeum (Erythraea Fossae, “das rote Meer”) bei ZM=50° ist erneut eine gut sichtbare, auffällige dunkle Region.
Und dann gibt es da ja noch die Tharsis Region bei ZM=100° mit einer Fläche von 4 Millionen km². Sie enthält riesige Schildvulkane an denen sich dünne, weiße Wolken bilden. Der bekannteste Vulkan ist der 26 km hohe Olympus Mons (Olympus Nix) mit einem Durchmesser von knapp 600 km. Im Osten der Tharsis Region liegt zudem das 4.000 km lange, bis zu 700 km breite und 7 km tiefe Grabenbruchsystem Valles Marineris.
Auf dem Mars gibt es also einiges zu entdecken, wenn man die notwendige Geduld aufbringt. Zudem gibt es lokale Staubstürme die das Aussehen seiner Albedo-Strukturen laufend verändern. Nur einen globalen Staubsturm sollte es bitte in diesem Jahr nicht geben. Ein solcher hatte uns bei der letzten Opposition im Jahr 2018 die ganze Sicht vernebelt…
Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beobachtung?
Die erste wichtige Voraussetzung zur Beobachtung, ein möglichst geringer Abstand zur Erde, wurde bereits erläutert. Die scheinbare Größe eines Objekts am Himmel wird in Grad°, Bogenminuten’ und Bogensekunden” angegeben. 1° entspricht 60′ und diese wiederum 3.600″ (1’=60″). Der Vollmond hat zum Beispiel eine scheinbare Größe von ca. 1/2° = 30′ = 1.800″ und ist damit ca. 70x größer als Mars zur Opposition in diesem Jahr.
Zur Beobachtung eines so kleinen Objektes ist ein Teleskop ab ca. 5 Zoll (besser 8 Zoll) Öffnung und eine Vergrößerung ab 200-fach sinnvoll. In den Monaten um die letzte Konjunktion am 2. September 2019 war Mars ca. 3,5″ groß und – wenn überhaupt – nur am Taghimmel und im Teleskop als kleines orange/rotes Pünktchen zu sehen. Ab ca. 10″ scheinbarer Größe lassen sich auf dem kleinen Mars-Scheibchen erste Bereiche auf der Oberfläche erkennen.
Das setzt jedoch gutes astronomisches Seeing voraus und damit sind wir bei einem wesentlichen Faktor: Luft ist ständig in Bewegung und je stärker diese „wabert“, desto mehr verschwimmt und wackelt das beobachtete Objekt. Das Auflösungsvermögen des Teleskops und die Sichtbarkeit werden hierdurch maßgeblich beeinträchtigt. Einfluss auf das Seeing hat insbesondere die Wetterlage. So führen Hochdruckgebiete und geringer Jet-Stream über dem Beobachtungsort meist zu gutem Seeing. Hinzu kommen lokale negative Effekte wie Wind oder Luftzirkulation (z.B. durch aufgeheizte Straßen und Dächer) am Beobachtungsort oder ein noch nicht an die Umgebungstemperatur angepasstes Teleskop.
Der Einfluss des Seeings ist stärker, je niedriger das Objekt über dem Horizont steht. Zudem verstärkt sich dann die Atmosphärische Dispersion, d.h. die Lichtbrechung durch die Erdatmosphäre. Diese führt zu einer Verschiebung des Blauanteils nach oben und des Rotanteils nach unten und damit zu einem farblichen Versatz im Bild.
Der ideale Beobachtungszeitpunkt in einer Nacht ist daher um die Kulmination, also wenn Mars seinen höchsten Stand in der Nacht erreicht hat. Durch die Neigung der Erdachse zur Ekliptik verläuft die nächtliche Bahn der Planeten in unseren Breiten um die Sommer-Sonnenwende flach über dem Horizont. Sie wird im Jahresverlauf immer steiler, bis sie um die Winter-Sonnenwende den höchsten Stand erreicht hat und flacht dann bis zur nächsten Sommer-Sonnenwende wieder ab.
Der perfekte Beobachtungszeitpunkt ist also dann, wenn Mars mit einer großen scheinbaren Größe hoch über dem Horizont steht. Und genau diese Konstellation haben wir Anfang Dezember 2022. Jetzt fehlen nur noch gute Sicht, perfektes Seeing und ein passendes Teleskop.
Was ist in der Astronomie eine “Opposition”?
Wann kann man am besten die anderen Planeten des Sonnensystems beobachten? Genau: Wenn es dunkel ist – also nachts! Und am ausgiebigsten dann, wenn der Planet aufgeht, sobald die Sonne untergeht und untergeht, bevor die Sonne aufgeht. Der Planet ist also die ganze Nacht über sichtbar.
Das tritt ein, wenn der Planet – von der Erde aus gesehen – genau gegenüber der Sonne steht. Und das nennt man “Opposition”:
Wie in der Grafik zu sehen ist, funktioniert das nur für Planeten, die außerhalb der Erdbahn ihre Runden ziehen. Merkur und Venus können von der Erde aus gesehen nicht gegenüber der Sonne stehen. Sie sind daher immer nur “links oder rechts” der Sonne beobachtbar. Und das heißt vor dem Sonnenaufgang oder nach dem Sonnenuntergang. Oder – bei entsprechender Vorsicht – auch am Taghimmel.
Auch wenn es in der Grafik so aussieht – Sonne, Erde und Planet stehen nicht zwangsläufig exakt auf einer Linie. Der Mars – um den geht es uns ja hier – steht 2022 zur Opposition fast exakt auf Erdbahnebene.
Sonne, Erde und Mars können allerdings tatsächlich exakt auf einer Linie stehen! Das ist zum nächsten Mal im Jahre 2084 der Fall. Sollte der Mars dann schon besiedelt sein, kann man von dort aus einen Erdtransit beobachten. D.h. die Erdscheibe zieht vor der Sonnenscheibe durch. Höchste Zeit den roten Planeten zu kolonisieren 😉
Wie oft gibt es eine Opposition? Immer dann, wenn die Erde den Planeten auf der Innenbahn “überrundet”. Das geht natürlich schneller, wenn der äußere Planet langsam unterwegs ist.
Der Saturn zum Beispiel bewegt sich auf seiner Bahn recht gemächlich und braucht 29,5 Jahre für einen Sonnenumlauf. Nach 378 Tagen hat ihn die Erde daher wieder eingeholt. Das nennt man übrigens “synodische Umlaufzeit”.
Der Mars ist flotter unterwegs: Er braucht 687 Tage für einen Sonnenumlauf. 780 Tage braucht die Erde, um ihn wieder einzuholen; das sind 2 Jahre und 1,5 Monate.
Die Feinheiten…
Quizfrage: Erscheint der Mars zum Zeitpunkt der Opposition im Fernrohr am größten? Wenn sich die Planeten auf Kreisbahnen bewegen würden, wäre dem so. Seit Johannes Kepler wissen wir aber, dass sie das nicht tun.
Von daher fällt der geringste Abstand nicht zwangsläufig mit der Opposition am 8. Dezember zusammen. 2022 ist der Abstand am 1. Dezember am geringsten. D.h. die Opposition legt den Tag fest, an dem der Planet die ganze Nacht beobachtbar ist (plus / Minus ein paar Tage macht da natürlich keinen großen Unterschied). Sie legt aber nicht den besten Beobachtungstag fest, wenn es um die Größe des Planeten im Fernrohr geht.
Der Unterschied ist allerdings nicht so gravierend: Am 1. Dezember ist das Scheibchen 17,2 Bogensekunden groß, zur Opposition sind es dann “nur noch” 17 Bogensekunden. Zum Vergleich: Der Mond hat einen scheinbaren Durchmesser von 1800 Bogensekunden.
Gute Zeiten – schlechte Zeiten
Es ist sehr wichtig, wo sich der Mars auf seiner Bahn zur Zeit der Opposition befindet. Die untenstehende Grafik zeigt die Bahn des Mars im Vergleich zur Erdbahn.
Es ist deutlich zu sehen wie exzentrisch die Marsbahn ist. Findet die Opposition “unten rechts” statt, ist der Mars der Erde deutlich näher als bei einer Opposition “oben links”.
Der Abstand zwischen den Planeten schwankt bei der Opposition zwischen 55,6 Millionen km und 101,3 Millionen km. Die folgende Grafik zeigt die Größe des Marsscheibchens bei den nächsten Oppositionen.
Maximal kann der scheinbare Durchmesser des Mars 25,8″ betragen. Schön zu sehen ist, wie unterschiedlich groß sich der Mars bei den kommenden Oppositionen zeigt. Erst 2033 und 2035 sehen wir wieder ein ähnlich großes Marsscheibchen im Teleskop.
Hilfreiche Software
Eine erste Hilfe für die Beobachtungsplanung (welche Regionen sehe ich zu einer bestimmten Zeit) ist die freie Planetariumssoftware Stellarium. Sie zeigt die Ansicht des Mars und weitere Daten zu einer bestimmten Uhrzeit an. Per Maus-Klick werden die Namen von Details auf der Oberfläche angezeigt.
Der Mars-Profiler der Zeitschrift Sky & Telescope zeigt den Ausschnitt einer einfachen Mars-Karte mit weiteren Parametern zu einem bestimmten Zeitpunkt in Weltzeit (UT) an.
Und wer einmal um den Mars fliegen möchte oder seine Oberfläche – mit zum Teil hochauflösenden Fotos – erkunden möchte, für den empfiehlt sich die kostenfreie Desktop-Applikation Google Earth Pro (Ansicht Mars). Es kann zwischen verschiedenen Kartendarstellungen (visuell, infrarot, historisch,…) gewählt werden und es lassen sich Routen der Mars-Rover und Landeplätze anzeigen. Zudem gibt es englischsprachige Touren und Erläuterungen zu diverseren Sehenswürdigkeiten auf dem Mars.