Die jüngsten stellaren Embryonen in massereichen Wolken

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein infraroter Blick auf NGC 6334S, genannt Katzenpfoten-Nebel, eine riesige, sternbildende Molekülwolke. Neue Submillimeter-Beobachtungen des südlichen dunklen Komplexes in dieser Wolke haben die ersten prästellaren Kerne (Embryonen zukünftiger Sterne) aufgedeckt, die je in einer massereichen Wolke gefunden wurden, aber sie sind sehr kalt und können in infraroten Bildern wie diesem nicht gesehen werden.
ESO/J. Emerson/VISTA

Sterne entstehen, wenn die Gravitation Gas und Staub in einer interstellaren Wolke zusammenzieht, bis sich Kerne entwickeln, die dicht genug sind, um zu Sternen zusammenzufallen. Ein dichter Kern in der frühesten Phase dieses Prozesses wird sternloser Kern genannt, und wenn er begonnen hat, zu einem Stern zusammenzustürzen, wird er in diesem Stadium als prästellarer Kern bezeichnet. Prästellare Kerne können unter dem gemeinsamen Einfluß von Schwerkraft, Magnetfeldern und turbulenten Bewegungen einzelne oder mehrere Sterne bilden; das Wissen um diese und andere Eigenschaften von prästellaren Kernen ist wichtig, um Sternentstehung zu verstehen. Prästellare Kerne in Molekülwolken niedriger Masse hat man intensiv untersucht, zum Teil deshalb, weil Gebiete mit Sternentstehung von niedriger Masse relativ nah liegen und vergleichsweise hell sind. Sternentstehung in massereichen, haufenbildenden Regionen könnte ganz anders sein – viel mehr massereiche Sterne entstehen dort bei Prozessen, die allgemein viel schneller ablaufen – aber es gibt nicht viele Untersuchungen von prästellaren Kernen in solchen Regionen. Daher sind kalte, ruhende prästellare Kerne in massereichen sternbildenden Gebieten nicht eindeutig identifiziert worden.

Die CfA-Astronomen Shanghuo Li, Qizhou Zhang, Howard Smith und Shaye Strom leiteten ein Team von Astronomen, das mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) den ersten Haufen sternloser und prästellarer Kerne mit niedriger Masse in einem massereichen Komplex identifizierte. Die infrarote dunkle Molekülwolke NGC 6334S, in der man sie fand, ist ungefähr viertausend Lichtjahre entfernt und Teil eines viel größeren Komplexes mit lebhafter und kräftiger Sternentstehung. Mit einer Gesamtmasse von ungefähr 1300 Sonnenmassen hat NGC 6334S das Potential, sowohl Sterne mit niedriger Masse (jeder mit weniger als etwa zwei Sonnenmassen) und Sterne mit hoher Masse (mehr als ungefähr acht Sonnenmassen) zu bilden. Damit ist NGC 6334S ein ideales Laboratorium, um nach den prästellaren Stufen massereicher Sterne und Sternentstehung in Gruppen zu suchen und zu studieren.

Die Astronomen kartierten den Bereich in den Emissionslinien von Molekülen, die kaltes dichtes Gas nachzeichnen. Die ALMA-Ergebnisse erreichten eine räumliche Auflösung von circa 0.07 Lichtjahren – genau genug, um einzelne Kerne in dem Komplex zu erkennen. Sie entdeckten siebzehn sternlose Kerne von niedriger Masse in einem Massebereich von ungefähr 0.13 bis 0.87 Sonnenmassen, von denen neun genug Masse besitzen, um sich weiter zusammenzuziehen und somit prästellare Kerne sind. In der Region gibt es auch zahlreiche entwickelte junge Sterne, die das Team charakterisierte. Alle Kerne sind vereinbar mit Staubtemperaturen von nur ungefähr zehn Kelvin, und keiner ist im Infraroten entdeckt worden, ausgenommen bei den längsten, ferninfraroten und Submillimeter-Wellenlängen. Diese ersten Messungen von prästellaren Kernen in einem massereichen Wolkenkomplex offenbart, daß sich die massereicheren Kerne in Richtung auf das Zentrum der Wolken konzentrieren; die weniger massereichen Kerne sind überall in den Wolken verstreut. Zu den Folgerungen gehört die Unterstützung des Sternentstehungsmodells, bei dem dichte Kerne nah den Zentren von Haufen durch Ansammeln weiteren Materials größer werden, im Gegensatz zu dem alternativen Modell, bei dem sich die Kerne mit nahezu ihrer Endmasse bilden.

Literatur:

„A Low-mass Cold and Quiescent Core Population in a Massive Protocluster“

Shanghuo Li, Xing Lu, Qizhou Zhang, Chang-Won Lee, Patricio Sanhueza, Henrik Beuther, Izaskun, Jimenez-Serra, Keping Qiu, Aina Palau, Siyi Feng, Thushara Pillai, Kee-Tae Kim, Hong-Li Liu, Josep Miquel. Girart, Tie Liu, Junzhi Wang, Ke Wang, Hauyu Baobab Liu, Howard A. Smith, Di Li, Jeong-Eun Lee, Fei Li, Juan Li, Shinyoung Kim, Nannan Yue, and Shaye Strom

Astrophysical Journal Letters 2021 (in press)

oder

arXiv:2104.05493v1 [astro-ph.GA] 12 Apr 2021