Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Ein aktiver galaktischer Kern (engl.: active galactic nucleus = AGN) beherbergt ein supermassereiches Schwarzes Loch, das stürmisch Material akkretiert. Es stößt üblicherweise Teilchenjets aus, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen und in vielen Wellenlängen, besonders im Röntgenlicht, durch Vorgänge strahlen, die zu den energiereichsten Naturerscheinungen im Universum gehören. Die Jets sind häufig auch noch eng gebündelt und erstrecken sich weit über ihre Heimatgalaxie hinaus, und wenn sie entlang unserer Sichtlinie ausgerichtet sind, gehören sie zur spektakulärsten Klasse dieser Phänomene: Blazare.
Vor einigen Jahren bemerkten Astronomen, daß einige Blazararten Jetenergien besitzen, welche die durch die Akkretion gelieferte Energie übersteigen. Zwei Lösungen wurden vorgeschlagen, um die Differenz zu erklären: Die Jets entziehen der Rotation des Schwarzen Lochs oder dem magnetischen Fluß um das Objekt zusätzlich Energie. Wie beide Prozesse ablaufen – wenn sie tatsächlich stattfinden – wird stürmisch diskutiert, aber eine weitverbreitete Vorstellung macht geltend, daß die Prozesse irgendwie mit der Masse des supermassereichen Schwarzen Lochs in Beziehung stehen, wobei die massereichsten Fälle (mehr als hundert Millionen Sonnenmassen) die anomalsten Fälle bilden. Das Gammastrahlen-Weltraum-Teleskop Fermi entdeckte kürzlich Gammastrahlung (noch energiereichere Photonen als die der Röntgenstrahlung), die von Jets aus einer Klasse von Galaxien stammt, die man Seyfert-Galaxien nennt; dies sind Spiralgalaxien mit supermassereichen Schwarzen Löchern von relativ kleinen Massen, die normalerweise etwa zehn Millionen Sonnenmassen betragen. Astronomen spekulierten, ob diese relativ massearmen, dennoch leistungsstarken Emissionsmaschinen Anhaltspunkte liefern könnten, um verschiedene Quellen der Energie für die Jets auszuschließen.
CfA-Astronom Mislav Balokovic und seine Kollegen beendeten eine Multi-Wellenlängen-Studie der hellen, blazargleichen Seyfert-Galaxie PKS J1222+0413 und bezogen Daten von Gamma- bis Radiostrahlung, sowohl archivierte als auch neue Beobachtungen, zu denen aktuelle Ergebnisse des Weltraum-Observatoriums NuSTAR zählen, mit ein. Dann erstellten sie ein umfassendes Modell dieser Quelle, die fernste bekannte dieses Typs – deren Licht ungefähr acht Milliarden Jahre zu uns unterwegs gewesen ist. Sie entdeckten die deutlich hervortretende Signatur einer Akkretionsscheibe und veranschlagten die Masse des supermassereichen Schwarzen Lochs aus den Bandbreiten und Stärken der Emissionslinien auf ungefähr zweihundert Millionen Sonnenmassen. Dieser Wert ist ungefähr zehn Mal höher als bei den meisten anderen Seyfert-Galaxien dieses Typs. Die Leuchtkraft des Jets beträgt nur ungefähr die Hälfte der Leuchtkraft aus der Akkretion, anders als in Fällen von Galaxien, deren Jetenergie die Energie der Akkretion übertrifft. Aber gleichwohl fällt das Objekt ohne Frage in eine Übergangsregion für Jetstärken und ermöglicht zukünftige Untersuchungen, um detaillierter die Herkunft der Jetenergie sowohl von Seyfert-Galaxien als auch von Blazaren zu untersuchen.
Literatur:
“The Relativistic Jet of the γ-ray Emitting Narrow-Line Seyfert 1 Galaxy PKS J1222+0413”
Daniel Kynoch, Hermine Landt, Martin J. Ward, Chris Done, Catherine Boisson, Mislav Balokovic, Emmanouil Angelakis, and Ioannis Myserlis
arXiv:1904.12863v1 [astro-ph.GA] 29 Apr 2019
oder
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 487, 181–197 (2019)