Das Monster im Orion-Nebel

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Der Orion-Nebel, hell im “Schwert” des Sternbilds Orion strahlend, ist eines der berühmtesten Sehenswürdigkeiten am Himmel. Der Nebel besteht in Wirklichkeit aus mehreren Haufen heißer junger Sterne, die von Gas und Staub umgeben sind. Die intensive ultraviolette Strahlung der Sterne bringt das Gas und den Staub zum Leuchten. Der Nebel ist die nächste zur Erde gelegene Geburtsstätte massereicher Sterne; er liegt nur etwa 1.300 Lichtjahre entfernt. Doch trotz seiner Berühmtheit, Helligkeit und relativen Nähe zur Erde verstehen die Astronomen den Nebel noch immer nicht richtig. Niemand weiß zum Beispiel, ob ein einzelner Stern oder ein Sternhaufen die zu beobachtenden, spektakulären Materieströme antreibt. Der Grund für diese Unkenntnis liegt zum einen Teil daran, daß der Nebel mit Sternen bevölkert ist und zum anderen Teil daran, daß der dortige Staub viele Regionen im optischen Bereich verdunkelt.
Das hellste Objekt im Nebel strahlt mit dem Licht von 100.000 Sonnen. Vor ungefähr 10 Jahren fanden Astronomen heraus, daß diese Quelle aus mehreren kleineren Quellen besteht. Besonders Messungen im Radiowellenbereich deuteten darauf hin, daß eines dieser kleineren Objekte, eine als „Orion I“ bezeichnete, intensive Radioquelle ein dominierender junger Stern war. Vielleicht sind die anderen Quellen im Haufen in seinem reflektierten Licht zu sehen. Aber Orion I war ein mysteriöses Ungeheuer: man sieht ihn durch den Raum fliegen, als ob er vor einigen Hundert Jahren aus einem anderen System herausgeschleudert worden wäre und er ist von natürlichen Masern (Maser sind im Radiowellenbereich das Analogon zum Laser) umgeben, die von einer rotierenden Materiescheibe stammen könnten.
Die beiden SAO-Astronomen Mark Reid und Lincoln Greenhill haben mit zwei Kollegen dank hochaufgelöster Radiobilder, die besten jemals erhaltenen Aufnahmen ihrer Art, entdeckt, daß Orion I wohl ein einzelner, sehr massereicher junger Stern ist, der von einer zur Erde in Kante gelegenen, ionisierten Materiescheibe umgeben ist. Die Ergebnisse sind verblüffend, da sie nahelegen, daß dieser Stern für nahezu die gesamte gewaltige Leuchtkraft von 100.000 Sonnen verantwortlich ist, allerdings ist dieser Wert zu groß, um mit irgendeinem bekannten Stern vereinbar zu sein. Die Wissenschaftler vermuten, daß möglicherweise Akkretion aus der Scheibe auf den Stern wesentlich zur Gesamtleuchtkraft beitragen könnte. Dies steht jedoch im Widerspruch zu anderen Überlegungen, nach denen der Materialeinfall auf einen jungen massereichen Stern durch seine Sternwinde unterdrückt wird. Indem die neue Arbeit einige lang anhaltende Rätsel über den Orion-Nebel selbst löst, unternimmt sie auch erste Schritte zur Klärung der Prozesse, die in eine stürmische Sternentstehung verwickelt sind.