Das Leben massereicher, kompakter Galaxien

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Infrarot-Aufnahme einer massereichen, kompakten Galaxie, deren Licht 1.5 Milliarden Jahre zu uns unterwegs gewesen ist. Astronomen haben mit Hilfe der Illustris Computersimulation untersucht, wie sich diese Art von Galaxien über die vergangenen 3.5 Milliarden Jahre entwickelt hat, aus einer Zeit stammend, als sie in Ausdehnung und Masse viel kleiner waren, bis heute.
Gemini, Trujillo et al.


 
Große ruhige Galaxien haben über 100 Milliarden Sonnenmassen in Form von Sternen; unsere Milchstraße besitzt zum Vergleich nur etwa die Hälfte dieses Wertes. Im lokalen Universum sind die Sterne in jenen Galaxien zumeist alt und entwickelt und die Galaxien selbst sind etwa 50.000 Lichtjahre groß und in ihrer Form ziemlich elliptisch. Die vermuteten jüngeren Gegenstücke zu diesen Objekten sind massereiche Galaxien aus dem Zeitraum höchster Sternbildungsaktivität, als das Universum etwa 3.5 Milliarden Jahre alt war. Diese Gegenstücke wurden vor kurzem bei Durchmusterungen des Universums entdeckt und festgestellt, daß sie in ihrer Abmessung um bis zu fünfmal kleiner als ihre Anverwandten sind. Wie sie so spektakulär gewachsen sind, um die massereichen Galaxien zu werden, die wir in unserer kosmischen Nachbarschaft sehen, ist wenig verstanden.
Zwei Szenarien sind entwickelt worden, um das Wachstum massereicher kompakter Galaxien zu erklären: zum einen die Verschmelzung von Galaxien, zum anderen ihr Aufblähen durch Gas, das in stellaren Winden oder durch Jets Schwarzer Löcher ausgestoßen wurde. Das Problem ist, diese Ideen zu überprüfen und (da man erwartet, daß zumindest diese beiden Prozesse am Werk sind) den jeweiligen Stellenwert des entsprechenden Prozesses zu quantifizieren. Es sind einfach nicht genug massereiche kompakte Galaxien bekannt, um eine aussagekräftige Schlußfolgerung aus statistischen Argumenten erhalten zu können und so nahmen die CfA-Astronomen Sarah Wellons, Vicente Rodriguez-Gomez, Annalisa Pillepich und Lars Hernquist mit ihren Kollegen eine Untersuchung mit Hilfe von Illustris in Angriff: einer kosmologischen Computersimulation, welche die Entwicklung des Universums und seiner Bestandteile von wenigen Millionen Jahren nach dem Urknall bis heute verfolgt.
Die Wissenschaftler wählten fünfunddreißig massereiche kompakte Galaxien in der Simulation aus und beobachteten, was mit ihnen geschah, während sie sich über die letzten annähernd 3.5 Milliarden Jahre entwickelten. Die Galaxien starteten mit ähnlichen Massen, die höchstens um den Faktor drei voneinander abwichen, aber in der Gegenwart angekommen, unterschieden sich ihre Massen um einen Faktor zwanzig – verschiedene Prozesse veranlassten einige Galaxien, viel schneller als andere zu wachsen. (Gleichzeitig wuchs der Unterschied in ihren Halos aus Dunkler Materie, der ursprünglich einen Faktor von 5 ausmachte, auf einen Faktor von 40 an.) Das Team hat herausgefunden, daß etwa die Hälfte der Galaxien überlebte, um das Kernstück moderner massereicher Galaxien zu werden, ungefähr fünfzehn Prozent wurden bei Verschmelzungen mit viel größeren Galaxien zerstört und etwa ein Drittel – solche, die man in der Umgebung mit der geringsten Dichte fand – entwickelten sich ohne große Veränderung. Die Gruppe entdeckte im Speziellen, daß das Größenwachstum der Galaxien hauptsächlich über den Erwerb von neuer Masse durch Verschmelzung und Akkretion angetrieben wurde; Winde spielten nur eine untergeordnete Rolle. Die neuen Ergebnisse sind ein eindrucksvoller Beleg für die Leistungsfähigkeit von Illustris, Einzelheiten der kosmischen Entwicklung offenzulegen.
Literatur:
„The diverse evolutionary paths of simulated high-z massive, compact galaxies to z = 0“
Sarah Wellons, Paul Torrey, Chung-Pei Ma, Vicente Rodriguez-Gomez, Annalisa Pillepich, Dylan Nelson, Shy Genel, Mark Vogelsberger, and Lars Hernquist
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 456, 1030–1048 (2016)