Beschränkung der Chemie von Kohlenstoffkettenmolekülen im Weltraum

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine Aufnahme der Taurus-Molekülwolke, ungefähr 450 Lichtjahre von der Erde entfernt. Viele Kohlenstoffkettenmoleküle sind in Dunkelwolken wie dieser entdeckt worden, aber erfolglos haben Astronomen nach HC11N gesucht. Sie vermuten, daß Ketten dieser Größe sich bevorzugt zu Kohlenstoffringen umlagern.
ESO; Digitized Sky Survey; Davide De Martin

Das interstellar Medium der Milchstraße enthält 5-10% der gesamten Masse der Galaxis (ausgenommen ihre Dunkle Materie) und besteht hauptsächlich aus Wasserstoffgas. Es gibt außerdem geringe, aber wichtige Anteile anderer Gase, einschließlich Moleküle mit Kohlenstoff, sowohl einfache wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid, als auch komplexe wie Ethen, Benzol, Propinal, Methanol und weitere Alkohole, sowie Cyanide. Es gibt sogar einige sehr große Moleküle wie die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe und Buckminster-Fullerene mit fünfzig oder mehr Kohlenstoffatomen. Einige Spezies wie die Cyanide haben relative Häufigkeiten, wie man sie auch in Kometen unseres Sonnensystems findet und ist ein Hinweis darauf, daß die lokale Kohlenstoffchemie nicht einzigartig ist.

Astronomen vermuten, daß komplexe interstellar Moleküle wahrscheinlich auf Staubkörnern gebildet werden, obschon einige Moleküle in der Gasphase erzeugt werden könnten. Sie stellen ungefähr ein Prozent der Masse des interstellaren Materials. Diese winzigen Körner sind überwiegend aus Silikaten aufgebaut und stellen den Gasmolekülen Oberflächen zur Verfügung, auf denen sie mit anderen Molekülen reagieren. Kohlenstoffkettenmoleküle sind von besonderem Interesse, da sie als Startpunkt für einen erheblichen Anteil der bekannten komplexen Stoffe im interstellaren Medium gelten. Es wird sogar angenommen, daß Kohlenstoffkettenmoleküle ein wichtiges Zwischenglied bei der Bildung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen sind. Dadurch gewährt die Molekülchemie der Kohlenstoffketten Einblicke in eine große Untergruppe der interstellaren Chemie.

Eine besonders gut untersuchte Familie von Kohlenstoffketten sind die Cyanopolyine: lineare Moleküle der Form HCnN, mit n = 3, 5, 7, 9, und so weiter. Sie sind bei älteren Sternen und in kalten Dunkelwolken in hoher Konzentration beobachtet worden. Jedoch ist die Existenz des längsten bekannten Cyanopolyins, HC11N, strittig. Gemäß einer Veröffentlichung wurde es 1982 in einer Dunkelwolke in Taurus entdeckt, aber diese Entdeckung ist nicht bestätigt worden. Die CfA-Astronomen Ryan Loomis und Brett McGuire haben gemeinsam mit einigen Kollegen das Green Bank Teleskop eingesetzt, um in der Taurus-Region nach HC11N zu suchen und mit Hilfe von sechs seiner charakteristischen Übergänge im Radiowellenbereich zu finden, darunter auch die beiden, mit denen erstmals dessen Auffinden bekannt gegeben wurde, aber – erfolglos.

Die Astronomen legen dar, daß die zuvor erfolgte Entdeckung ein Irrtum war und bieten eine Erklärung für das andererseits sonderbare Fehlen des Moleküls mit n=11 an. Laborexperimente haben gezeigt, daß Kohlenstoffkettenmoleküle, die länger als etwa n=9 werden, beginnen, sich selbst einzurollen und bevorzugt Moleküle aus Kohlenstoffringen zu bilden, die stabiler sind. Ein analoger Vorgang könnte im interstellaren Medium auftreten und HC11N in zyklische Moleküle umwandeln. Das man HC11N bisher nicht nachweisen kann, deutet daher auf die Bedeutung dieses chemischen Reaktionswegs bei der Bildung zyklischer Moleküle hin, obgleich die Autoren anmerken, daß weitere Beobachtungen und Laborexperimente notwendig sind, um das Model zu bestätigen.

Literatur:

„Non-detection of HC11N towards TMC-1: Constraining the Chemistry of Large Carbon-Chain Molecules“

Ryan A. Loomis, Christopher N. Shingledecker, Glen Langston, Brett A. McGuire, Niklaus M. Dollhopf, Andrew M. Burkhardt, Joanna Corby, Shawn T. Booth, P. Brandon Carroll, Barry Turner, and Anthony J. Remijan

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 463, 4175–4183 (2016)