Beobachtung der Fütterung des supermassereichen Schwarzen Lochs der Milchstraße

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein Dreifarbenbild der zentralen Regionen der Milchstraße, das die Lage des supermassereichen Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum, Sagittarius A*, zeigt; Röntgenstrahlung ist blau, optische Strahlung gelb und Infrarotstrahlung rot wiedergegeben. Astronomen haben zeitgleiche Multiband-Beobachtungen eines hellen Ausbruchs von Sgr A* erhalten und modellierten die in mehreren Bändern gewonnene Strahlung, um die Eigenschaften der Akkretion um das Schwarze Loch abzuschätzen.
X-ray: NASA/CXC/UMass/D. Wang et al.; Optical: NASA/ESA/STScI/D. Wang et al.;
IR: NASA/JPL-Caltech/SSC/S. Stolovy

Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, Sagittarius A* (Sgr A*) ist zu uns das bei weitem nächstgelegene derartige Objekt, etwa 27 Tausend Lichtjahre entfernt. Obwohl das Zentrum nicht annähernd so aktiv oder leuchtkräftig als andere galaktische Kerne mit supermassereichen Schwarzen Löchern ist, läßt es seine relative Nähe für uns viel heller erscheinen als andere ähnliche Quellen und liefert Astronomen eine einzigartige Gelegenheit, um zu untersuchen, was geschieht, wenn Gaswolken oder andere Objekte nah an den „Rand“ eines Schwarzen Lochs geraten.

Sgr A* ist seit seiner Entdeckung in den 1950ern bei Radiowellenlängen überwacht worden; von der Variabilität im Radiobereich wurde zuerst 1984 berichtet. Astronomen haben aus Modellen gefolgert, daß Sgr A* im Durchschnitt Material von nur wenigen Hundertstel einer Erdmasse pro Jahr akkretiert, vergleichsweise eine sehr niedrige Rate. Nachfolgende Beobachtungen im Infrarot-, Submillimeter- und Röntgenlicht bestätigten diese Variabilität, entdeckten aber auch, daß das Objekt oft aufflackert, wobei dabei die Helligkeit im Röntgenlicht um einen Faktor von etwa einhundert ansteigt. Ein Großteil der gleichförmigen Strahlung soll durch Elektronen erzeugt werden, die mit fast Lichtgeschwindigkeit (relativistische Bewegung genannt) um Magnetfelder in einer kleinen Region kreisen, die um die Quelle einen Radius von nur ungefähr einer Astronomische Einheit aufweist, aber es besteht kein Einvernehmen über den Mechanismus / die Mechanismen, welche die Ausbrüche mit Energie versorgen.

Die am CfA tätigen Astronomen Giovanni Fazio, Mark Gurwell, Joe Hora, Howard Smith und Steve Willner waren Mitglieder einer großen Arbeitsgemeinschaft, die im Juli 2019 zeitgleich Beobachtungen im nahen Infrarot mit der IRAC-Kamera an Bord des Spitzer-Observatoriums, mit dem GRAVITY-Interferometer am europäischen Süd-Observatorium sowie den Chandra- und NuSTAR-Röntgen-Observatorien der NASA durchführte (parallel geplante Beobachtungen mit dem Submillimeter Array wurden durch die Schließung des Mauna Kea verhindert). Sgr A* durchlief glücklicherweise während dieser Beobachtungen ein großes Ausbruchs-Ereignis, das Theoretikern erstmals ermöglichte, einen Flare mit beachtlichen Einzelheiten zu modellieren.

Relativistische Elektronen, die sich in Magnetfeldern bewegen, strahlen Photonen in einem als Synchrotronstrahlung bekannten Prozeß ab (das herkömmlichste Szenario), aber es ist auch ein zweiter Prozeß möglich, bei dem Photonen (entweder aus der Synchrotronstrahlung oder durch andere Quellen, wie von Staub erzeugter Strahlung) an den Elektronen gestreut werden und dadurch zusätzliche Energie erhalten und zu Röntgenphotonen werden. Das Modellieren, welche Kombination von Einflüssen in der kleinen Region um Sgr A* während des Flare-Ereignisses wirksam war, liefert Erkenntnisse über die Dichten des Gases, der Felder sowie die Entstehung von Intensität, dem zeitlichen Verlauf und die Form des Flares. Die Wissenschaftler betrachteten eine Vielzahl an Möglichkeiten und folgerten, daß im wahrscheinlichsten Szenario der infrarote Flare durch den ersten Prozeß, der Röntgenflare aber durch den zweiten Prozeß erzeugt wurde. Diese Folgerung hat für die Aktivität rund um dieses supermassereiche Schwarze Loch mehrere Konsequenzen, darunter auch, daß die Elektronendichten und Magnetfelder in ihrer Größenordnung zu denen unter durchschnittlichen Bedingungen vergleichbar sind, daß aber eine stete Teilchenbeschleunigung benötigt wird, um den beobachteten Flare zu erhalten. Auch wenn die Modelle viele Gesichtspunkte der Flare-Strahlung erfolgreich abbilden, können die Messungen die genaue Physik hinter der Teilchenbeschleunigung nicht einschränken; dies bleibt künftiger Forschung vorbehalten.

Literatur:

„Constraining Particle Acceleration in Sgr A* With Simultaneous GRAVITY, Spitzer, NuSTAR and Chandra Observations“

GRAVITY Collaboration: R. Abuter et al.

Astronomy & Astrophysics 654, A22 (2021)

oder

arXiv:2107.01096v1 [astro-ph.HE] 2 Jul 2021