Astronomie ohne Teleskop – Schwerkraftsonde B

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Gravity Probe B (= Schwerkraftsonde B) – testet die Nullhypothese. Diese besagt, daß die Drehachse eines Gyroskops auf einen entfernten Referenzpunkt ausgerichtet bleiben wird, wenn es sich in einer Umlaufbahn im freien Fall befindet. Die Allgemeine Relativitätstheorie sagt vorher, daß dem nicht so ist.

Es ist nicht völlig sicher, ob das Experiment Gravity Probe B in der Lage war, unzweifelhaft einen Frame-Dragging-Effekt von einem Hintergrundrauschen, daß von einigen außerordentlich kleinen Ungenauigkeiten in seinem Meßsystem verursacht wurde, zu unterscheiden.

Unabhängig davon, ob das Erreichte nur ein flüchtiger Blick war oder nicht – Frame-Dragging (die angeblich letzte ungeprüfte Voraussage der Allgemeinen Relativitätstheorie) und Gravity Probe B wurden in der öffentlichen Wahrnehmung als eins empfunden. Daher soll hier eine kurze Einführung gegeben werden, was Gravity Probe B flüchtig gesehen oder auch nicht gesehen haben könnte.

Gravity Probe B wurde 2004 gestartet und in 650 km Höhe in eine polare Erdumlaufbahn gebracht. Der Satellit enthielt 4 kugelrunde Gyroskope, die sich im Inneren drehen. Der experimentelle Plan sah vor, daß beim Fehlen einer Raumzeit-Krümmung oder Frame-Dragging diese Gyroskope, die sich in einer Umlaufbahn im freien Fall bewegen, sich mit ihren zielsicher auf einen entfernten Referenz-punkt (in diesem Fall der Stern IM Pegasi) ausgerichteten Rotationsachsen drehen sollten.

Um jede elektromagnetische Beeinträchtigung durch das Erdmagnetfeld zu vermeiden, wurden die Gyroskope in eine mit Blei ausgelegte Isolierflasche gepackt, deren Hülle mit flüssigem Helium gefüllt war. Das schützte die Instrumente vor äußerer magnetischer Beeinflussung und die Kälte ermöglichte Supraleitfähigkeit innerhalb der Detektoren, die entworfen wurden, der Rotation der Gyroskope zu überwachen.

Das langsam aus der Flasche entweichende Helium wurde auch als Treibgas eingesetzt. Um sicher zu gehen, daß die Gyroskope auch im freien Fall verbleiben, falls der Satellit irgendeinen Luftwiderstand vorfindet – konnte der Satellit winzige Flugbahnanpassungen vornehmen. Im Grund flog der Satellit um die Gyroskope um sicherzustellen, daß diese nie mit den Wänden ihrer Behältnisse in Kontakt kommen.

Wenn auch die Gyroskope sich im freien Fall befanden – es war ein freier Fall, bei dem ein die Raum-zeit verzerrender Planet umkreist wurde. Ein Gyroskop, das sich mit konstanter Geschwindigkeit in einem nahezu leeren Raum bewegt, ist ebenfalls in einem „gewichtslosen“ freien Fall – und solch ein Gyroskop, so die Erwartung, könnte sich unendlich lang um seine Achse zu drehen, ohne daß sich die Achse jemals verschiebt. Vergleichbar der Newtonschen Interpretation der Gravitation – die als Kraft über Entfernung hinweg zwischen massebehafteten Köpern wirkt – gibt es keinen Grund, weshalb sich die Drehachse eines Gyroskops in einer Umlaufbahn mit freiem Fall verschieben sollte.

Aber bei einem Gyroskop, das sich in der von einem Planeten stark gekrümmten Raumzeit bewegt, sollte sich dessen Drehachse nach Einstein in die Krümmung der Raumzeit hineinbeugen. Nach einer vollständigen Erdumkreisung wird die Drehachse in eine geringfügig andere Richtung als zu Beginn der Umkreisung zeigen. Dies nennt man geodätischen Effekt – und Gravity Probe B belegte das Vor-handensein dieses Effekts mit einer nur 0.5-prozentigen Wahrscheinlichkeit, daß die Daten einen Nulleffekt zeigen.

Aber die Erde ist nicht nur ein massereiches, die Raumzeit krümmendes Objekt, sie rotiert zudem. Diese Drehung sollte zumindest theoretisch die Raumzeit, in die die Erde eingebettet ist, hinter sich herziehen. Dieses sogenannte Frame-Dragging sollte ein Objekt, daß sich in der Umlaufbahn vorwärts mit der Erddrehung bewegt, mit sich ziehen.

Der geodätische Effekt verschiebt die Drehachse eines auf polarer Bahn die Erde umkreisenden Gyroskops entlang der Breitengrade – Frame-Dragging (auch als Lense-Thirring-Effekt bekannt) sollte die Drehachse entlang der Längengrade verschieben.

Das erwartete Ergebnis. Umkreist ein Gyroskop die gekrümmte Raumzeit der Erde, verschiebt sich die Drehachse des Gyroskops. Aber für die erwartete Verschiebung der Drehachse durch den Frame-Dragging-Effekt ist gezeigt worden, daß diese schwer zu messen ist.

Und beim Frame-Dragging-Effekt hat Gravity Probe B vollständige Ergebnisse nicht geliefert. Für den geodätischen Effekt fand man eine mittlere Verschiebung der Drehachsen der Gyroskope um 6.606 Milliarcsekunden/Jahr. Für den Frame-Dragging-Effekt wurde erwartet, daß sich die Achse um 0.039 Milliarcsekunden/Jahr verschiebt. Dieser sehr viel kleinere Effekt ist schwer von einem Hinter-grundrauschen zu unterscheiden, das von winzigen Unregelmäßigkeiten in den Gyroskopen selbst herrührt. Zwei entscheidende Probleme waren anscheinend eine sich ändernde Gangpolbahn und, größer als erwartet, das Auftreten eines Newtonschen Drehmomentkreisels – oder einfach gesagt, daß trotz aller Bemühungen die Gyroskope dennoch eine schwache Unruh zeigten.

Es gibt anhaltende Bemühungen, die erhofften, interessanten Daten mühselig aus dem Hintergrund-rauschen mittels einiger Annahmen herauszufiltern, die jedoch weiteren Diskussionen unterliegen dürften. Ein Bericht aus 2009 behauptete mutig, daß der Frame-Dragging-Effekt jetzt deutlich in den bearbeiteten Daten zu sehen ist – obwohl die Wahrscheinlichkeit, daß die Daten einen Nulleffekt dar-stellen, an anderer Stelle mit 15% angegeben worden ist. So sollte man heute besser sagen, man habe den Frame-Dragging-Effekt flüchtig sehen können.

Nebenbei bemerkt wurde Gravity Probe A 1976 gestartet – und in einem zweistündigen Umlauf wurde Einsteins Vorhersage einer gravitationsbedingten Zeitdilatation mit 1.4/10.000 erfolgreich bestätigt. Anders ausgedrückt: es hat sich gezeigt, daß eine Uhr in 10.000 km Höhe deutlich schneller geht als eine Uhr am Boden.