Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Es gibt eine Geschichte über Reisen bei Lichtgeschwindigkeit, die damit beginnt sich vorzustellen, vor einer großen Uhr zu stehen. Man ist sich darüber im Klaren, daß die augenblickliche Erkennung der Uhrzeit von dem Licht stammt, das an der Oberfläche der Uhr reflektiert wird – und daher wissen wir, es ist 12:00 Uhr. Fliegt man nun mit Lichtgeschwindigkeit davon, so sieht man, daß die Uhr bei 12:00 Uhr eingefroren ist, da man sich mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Information über die Uhrzeit bewegt. So entdeckt man, daß bei der Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit die Zeit im Grunde genommen still steht.
Obwohl einiges an dieser Geschichte falsch ist – ist eines aber zufällig richtig: wenn man in der Lage wäre, mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen, würde man tatsächlich keinen Gang der Zeit bemerken – wenngleich es verschiedene Gründe dafür gibt, weshalb dies vermutlich eine unmögliche Situation ist, in der man sich wiederfindet.
Dennoch: wenn man mit Lichtgeschwindigkeit reisen könnte und den Fortgang der Zeit nicht erfährt – dann hätte man auch keine Zeit zur Verfügung, um die eigene Situation zu überprüfen – denn in der Tat gäbe es für die Neuronen auch keine Zeit, zu feuern. So verläßt man die Erde mit dem Bild einer Uhr, die auf der Retina fixiert ist. Doch da das Gehirn aufgehört hat zu arbeiten, steht dies nicht in Zusammenhang mit der Information, die im Lichtstrahl getragen wird, auf dem man selbst reist. Die Retina wird solange nicht mit einem neuen Bild versehen, solange man mit Lichtgeschwindigkeit reist.
Etwas Einblick in die Spezielle Relativitätstheorie gewinnt man, wenn man einen Zeitgenossen einbe-zieht, der auf der Erde zurückbleibt. Führst du eine Reise mit Lichtgeschwindigkeit spiegelbildlich nach Alpha Centauri (4.3 Lichtjahre entfernt) und zurück durch – dann benötigst du aus Sicht des auf der Erde verbliebenen Zeitgenossen 8.6 Jahre, um nach Alpha Centauri und wieder zurück zu kommen. Dies stimmt, obwohl du selbst mit einem auf der Retina bei 12:00 Uhr festgefrorenen Bild sowohl die Erde verläßt als auch zurückkommst und mit Recht verkündest, daß (aus deiner Sicht) seit deinem Abflug keine Zeit vergangen ist.
Aber sich mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen und die Erfahrung zu machen, daß dabei keine Zeit vergeht, ist vermutlich für massebehaftete Wesen eine Unmöglichkeit. Relativität bringt es mit sich, daß man eine eigene Masse, eigene Länge und eigene Zeit besitzt – die unabhängig von der eigenen Geschwindigkeit bestehen bleiben. Wenn man die Beschleunigungskräfte überleben könnte, die einen an solch hohe Geschwindigkeiten heranführen, dann könnte man entspannt mit 99.95 % der Licht-geschwindigkeit dahingleiten, den Puls messen und finden, daß das Herz mit 72 Schlägen/min arbeitet – genau wie es dies auf der Erde macht.
Nur wenn du zur der Erde zurückschaust, wirst du feststellen, daß etwas Ungewöhnliches geschieht. Bewegst du dich mit 99.5 % der Lichtgeschwindigkeit, ergibt dies einen Zeitdehnungsfaktor von etwa 10. Während der irdische Zeitgenosse weiterhin eine Reisezeit von etwa 8.6 Jahren mißt, dauert für dich die Reise nur etwa 10 Monate. Und mit einem außergewöhnlich guten Teleskop könntest du zur Erde zurückschauen und einen verzerrten Big Ben sehen, der dem Weg nach Alpha Centauri rotver-schoben und langsam geht, auf dem Rückweg aber blauverschoben ist und sehr schnell geht.
Einer der Gründe, warum die Erfahrung Lichtgeschwindigkeit/Zeitstillstand vermutlich nie gemacht werden kann, liegt daran, daß die Zeitdehnung beständig ansteigt, je schneller man sich bewegt. Zum Beispiel ergibt sich bei einer Geschwindigkeit von 99.99995% der Lichtgeschwindigkeit ein Faktor für die Zeitdehnung von etwa 1.000. Selbst wenn man ein Raumschiff mit unendlicher Energiequelle hat und dieses zu scheinbar unendlicher Geschwindigkeit fähig ist – man erreicht das Ziel, bevor man von 99.99999(und so weiter)% der Lichtgeschwindigkeit auf c = 1.0 kommt.
Dies ist vielleicht der Weg, auf dem wir das Universum bevölkern werden – unter kaum vorstellbarem Einsatz an Energie, verbunden mit dem Prinzip der Zeitdilatation, um gewaltige Entfernungen zu überwinden. Der Dreh ist nur, kein Heimweh zu bekommen, da man nach dem Zurücklegen solcher Entfernungen niemals zurückkommen kann – außer man will seine Urururururenkel treffen.
(Im Beitrag wurde etwas gemogelt, da alle Zeitabschnitte der Beschleunigung und Abbremsung während der hier beschriebenen Reisen vernachlässigt wurden).