Astronomie ohne Teleskop – Nekropanspermie

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Kann eine außerirdische Spore wirklich über Lichtjahre hinweg zwischen Sternsystemen reisen? Ja, solange unsere Theorie nicht fordert, daß die Spore am Zielpunkt tatsächlich auch noch lebt.

Die Idee, daß ein winziger Organismus auf einem Staubkörnchen die riesigen Entfernungen in Raum und Zeit überwinden könnte, bis er schließlich auf der frühen Erde landet und sich niederläßt, scheint irgendwie unglaubwürdig. Wahrscheinlicher wären solche Organismen schon längst tot, wenn sie die Erde erreichen. Aber könnten dann zumindest die toten Aliens die genetische Vorlage geliefert haben, die den Anstoß zum Start des Lebens auf der Erde gegeben haben könnte? Willkommen im Reich der Nekropanspermie-Theorie.

Die Theorie der Panspermie besagt, daß Leben irgendwo im Universum entstand und dann zur Erde gelangte. Dies erfordert aber Annahmen darüber, wo denn irgendwo gewesen sein könnte. Soweit es das Sonnensystem betrifft, ist der wahrscheinlichste Kandidat für eine spontane Bildung eines wasser-löslichen, auf Kohlenstoff basierenden Replikators… die Erde. Da alle Planeten von vergleichbarem Alter wie die Erde sind, verbleibt als einziger vernünftiger Grund für die Vorstellung, Leben habe sich anderswo spontan gebildet, nur eine viel größere zur Verfügung stehende Zeitspanne, als die, die das frühe Sonnensystem zur Lebensbildung benötigte.

Die Meinungen gehen auseinander, aber die Erde kann eine halbwegs stabile, wässrige Umgebung von sagen wir 4.3 Milliarden Jahren bis zu 3.8 Milliarden Jahren angeboten haben – also die Zeit, in der die ersten Belege für Leben in den fossilen Aufzeichnungen sichtbar werden. Dies gibt dem spontan erzeugten, wie auch immer gebauten primitiven chemischen Replikator gut eine halbe Milliarde Jahre Zeit, sich zu einem unabhängigen Organismus weiterzuentwickeln, der zu einem energieerzeugenden Stoffwechsel und umfassender Vermehrung fähig ist.

Eine halbe Milliarde Jahre klingt wie ein großzügiger Zeitrahmen – doch mit nur einem Beispiel, an dem man sich orientieren kann (der Erde), wer weiß da zu sagen, was ein großzügiger Zeitrahmen wirklich ist. Paul Wesson (siehe unten) argumentiert, daß eine halbe Milliarde Jahre nicht genug Zeit ist. Er nimmt Bezug auf andere Forscher, die berechnen, daß zufällige molekulare Wechselwirkungen über eine halbe Milliarde Jahre hinweg nur etwa 194 Bits an Information hervorbringen würden. Ein typisches Virusgenom trägt 120.000 Bits, ein Bakteriengenom von E. coli trägt etwa 6 Millionen Bits in sich.

Ein Gegenargument ist jedoch, daß bei jeder Stufe der Replikation in einer Umgebung mit begrenzten Rohstoffen die Nachkommen bevorzugt werden, die bei der Vermehrung am effizientesten sind – und wenn dies Generation für Generation weitergeführt wird, folgt daraus, daß eine Umgebung zufälliger molekularer Wechselwirkungen sehr schnell an ihrem Ende anlangt.

Gleichwohl bietet die Nekropanspermie eine Lösung an, wie der Replikationsprozeß begonnen haben könnte. Der Mechanismus, durch den das Genom eines toten Alien sinnvollerweise die Schablone für weitergehende organische Vervielfältigung auf der Erde werden kann, ist nicht in allen Einzelheiten beschrieben – ausgenommen eine Diskussion der Viren als Beispiel für unbelebte Genvorlagen. Ob-wohl anerkannt wird, daß Viren gegenwärtig zur Replikation zelluläre Organismen benötigen, wird gleichwohl vorgeschlagen, daß dies nicht immer der Fall war.

Ob diese Denkrichtung viel nutzt, um die Nekropanspermie-Theorie zu stützen, bleibt abzuwarten. Voraussetzung für die Theorie ist aber noch immer, daß die frühe Erde idealerweise gerüstet und reif für eine solche Impfung mit Leben war. Man benötigt weiterhin einen wohltemperierten Cocktail aus organischen Bestandteilen, geschüttelt aber nicht gerührt, unterhalb einer schützenden Atmosphäre und einem Magnetfeld.

Unter diesen Umständen scheint die Bildung eines ersten Replikators durch eine zufällige Verbindung von organischen Komponenten sehr plausibel. So ist es nicht sofort ersichtlich, daß wir die Ankunft eines toten interstellaren Virus benötigen, um den Beginn der Welt, so wie wir sie kennen, anzustoßen.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1011.0101v1

Paul S. Wesson

Panspermia, Past and Present:
Astrophysical and Biophysical Conditions for the Dissemination of Life in Space (2010)