Astronomie ohne Teleskop – Astronomie der Aborigines

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Der Homunculus-Nebel entstand im Sternsystem Eta Carinae. Es wird vermutet, daß es sich dabei um Sternmaterial handelt, das während einer „falschen Supernova“ abgestoßen wurde, ein Ereignis, das sich um das Jahr 1840 ereignete.

Eta Carinae ist ein massereiches Doppelsternsystem. Der dominierende Partner ist ein leuchtkräftiger blauer veränderlicher Stern mit eruptiven Eigenschaften. Die letzte bedeutsame Eruption des Systems – auch als der „Große Ausbruch“ bekannt – machte Eta Carinae in den Jahren 1837 bis 1845 für kurze Zeit nach Sirius zum zweithellsten Stern am Nachthimmel. Dann verblaßte Eta Carinae wieder. Der große Ausbruch hinterließ den Homunculus-Nebel. Er muß auch Eindruck auf die einheimischen Aborigines, die ihn in jener Zeit beobachteten, gemacht haben.

D.W. Hamacher, mit wissenschaftlichem Interesse an australischer Archäoastronomie und D.J. Frew, der sich für die Lichtkurven veränderlicher Sterne über lange Zeiträume interessiert, haben einen Artikel veröffentlicht, der auf historische Aufzeichnungen zurückgreift um zu belegen, daß die Aborigines vom Clan der Boorong in Nordwest-Victoria die Beobachtung des großen Ausbruchs in ihre mündlichen Überlieferungen eingearbeitet haben.

Dies ist von allgemeinem Interesse, denn es ist die einzig bekannte Beobachtung des Ausbruchs von Eta Carinae durch Einheimische. Es ist auch von besonderem Interesse für Hamacher, da es seine Aussage stützt, daß die mündliche Überlieferung der Aborigines dynamisch ist, sich entwickelt und dabei oftmals vorübergehende astronomische Ereignisse einbaut.

Der Boorong-Clan scheint als eigenständige Gruppe allem Anschein nach nicht mehr zu existieren und viel von ihrem traditionellen Wissen dürfte verloren gegangen sein. Allerdings veröffentlichte William Stanbridge Aufzeichnungen über seine um 1860 erfolgten Begegnungen mit den Boorong und schilderte dabei besonders genau deren astronomisches Wissen. Seine Aufzeichnungen beinhalten die von den Aborigines benutzten Sternnamen und Geschichten, die mit diesen verbunden sind. Entweder schrieb er die zugehörigen europäischen Sternnamen nieder oder beschrieb wenigstens die allgemeine Umgebung des in Frage kommenden Sterns.

Von ganz besonderem Interesse ist hier der Stern, der von den Boorong den Namen „Collowgullouric War“ erhielt. Stanbridge beschrieb ihn als einen „großen roten Stern in Rober Carol, markiert als 966“. Zu jener Zeit war in der mündlichen Überlieferung der Boorong Collowgullouric War die Frau von War – den Stanbridge sofort als Canopus erkannte – und den wir heute als den zweithellsten Stern am Himmel betrachten.

Es gibt weitere Beispiele für Mann und Frau in der Astronomie der Aborigines. Diese Sterne stehen meist dicht beieinander und weisen ähnliche scheinbare Helligkeit auf. Stanbridge vermerkte Collowgullouric War als dritthellsten Stern in einer Liste, die Sirius als hellsten, Canopus als zweit-hellsten und Alpha Centauri (auch Rigil Kent) als vierthellsten Stern verzeichnet. Auch heute würden wir der Liste zustimmen, mit der Ausnahme, das Alpha Centauri der dritthellste Stern ist. Wer oder was ist dann aber Collowgullouric War?

Die Quellenangabe „großer roter Stern in Rober Carol, markiert als 966“ verweist in Kurzform auf das heute nicht mehr existierende Sternbild Rober Carolinum (Karlseiche). 966 ist nahezu sicher eine Bezeichnung, die aus einem der ersten Kataloge des südlichen Sternenhimmels übernommen wurde, den La Caille1763 anfertigte. Lac 966 ist in der Tat der Carina-Nebel, während der Stern Eta Carinae Lac 968 ist. Da es unwahrscheinlich ist, das Stanbridge im Besitz einer eigenen Abschrift des seltenen Katalogs von La Caille war, ist ein Übersetzungsfehler nicht auszuschließen. Auf jeden Fall scheint es vernünftig zu sein anzunehmen, daß, als sich Stanbridge auf einen Stern bezog, der mit dem Carina-Nebel assoziiert ist, auch tatsächlich Eta Carinae meinte.

Für kurze Zeit, während der Periode schwankender Helligkeit von 1837 bis 1845, konkurrierte Eta Carinae in seiner Pracht mit Canopus.

Auf dieser Basis ist es vernünftig anzunehmen, daß Einheimische mit ihrem Interesse am Himmel sehr wahrscheinlich den Ausbruch von Eta Carinae wahrgenommen haben dürften – und sehr wohl eine Geschichte entwickelt haben könnten, die auf dem nahen Beisammensein mit dem ähnlich hellen Stern Canopus, der in der Nähe lag, beruht.

Es bleibt noch zu entdecken, welch andere Ereignisse am Himmel der Südhalbkugel die Ureinwohner Australiens durch ihren bevorzugten Blick während ihrer 40.000-jährigen Besiedelung des Kontinents erlebten.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1010.4610v1

Duane W. Hamacher & David J. Frew

An Aboriginal Australian Record of the Great Eruption of Eta Carinae (2010)