Astronomie ohne Teleskop – Grenzen der Aussagekraft

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Die beiden Hälften einer kugelförmigen Karte des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds. Quelle: WMAP / NASA


 

Einige neuere Arbeiten über Geschwindigkeiten von Supernovae des Typs Ia deuten darauf hin, daß das Universum vielleicht nicht so isotrop ist, wie es unser gegenwärtiges Standardmodell (Lambda CDM*) voraussetzt. (*CDM = Cold Dark Matter = Kalte Dunkle Materie)

Das Standardmodell setzt voraus, daß das Universum isotrop und homogen ist. Dies besagt, daß man annehmen darf, daß das Universum unabhängig von der Beobachtungsrichtung und unabhängig vom Ort des Beobachters immer gleich aussieht. Jede wesentliche Abweichung von dieser Annahme hat zur Folge, daß das Standardmodell das gegenwärtige Universum oder seine Entwicklung nicht angemessen beschreiben kann. Jeder Einwand gegen die Annahme von Isotropie und Homogenität, auch als Kosmologisches Prinzip bekannt, ist eine bemerkenswerte Neuigkeit.

Da solch ein, das wissenschaftliche Bezugssystem verändernder Befund nur in dieser unbedeutenden Kolumne und nicht in einem Leitartikel von Nature erscheint, kann man sicher sein, daß die Wissen-schaft jetzt nicht am Boden liegt. Der Union2 Datensatz aus 557 Ia Supernovae, 2010 veröffentlicht, ist die scheinbare Quelle dieser jüngsten Anfechtung des kosmologischen Prinzips – obwohl der Datensatz mit der unzweideutigen Aussage veröffentlicht wurde, daß das flache Lambda CDM Modell in hervorragender Weise die Union2 Daten wiedergibt.

Trotzdem verglichen 2010 Antoniou und Perivolaropoulos Geschwindigkeiten von Supernovae in der nördlichen Hemisphäre mit denen in der südlichen Hemisphäre. Die Hemisphären wurden unter Verwendung galaktischer Koordinaten definiert, bei denen die Bahnebene der Milchstraße als Äquator und die Sonne, welche mehr oder weniger in der Bahnebene der Milchstraße liegt, als Koordinaten-Nullpunkt dient.

Das galaktische Koordinatensystem. Quelle: thinkastronomy.com


 

Die Analyse von Antoniou und Perivolaropoulos ergab eine bevorzugte Achse der Anisotropie – mit mehr Supernovae, die höhere Geschwindigkeiten als die Durchschnittsgeschwindigkeit in Richtung eines Punktes am nördlichen Himmel (innerhalb derselben Bandbreite an Rotverschiebung) zeigen. Dies läßt vermuten, daß ein Teil des nördlichen Himmels einen Bereich im Universum ausmacht, der sich mit größerer Beschleunigung nach außen ausdehnt als andernorts. Wenn dies stimmt, folgt daraus, daß das Universum weder isotrop noch homogen ist.

Allerdings merken die beiden Autoren an, daß ihre statistische Analyse nicht zwangsläufig mit einer statistisch ins Gewicht fallenden Richtungsabhängigkeit in Übereinstimmung steht und bemühen sich dann, ihren Befund dadurch zu untermauern, daß sie andere Unregelmäßigkeiten in den Daten des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds heranziehen, die ebenfalls richtungsabhängige Tendenzen zeigen. Hier scheint man nach einer Anzahl nicht miteinander in Beziehung stehender Befunde zu suchen, die aber eine gleiche Tendenz aufweisen – die alleine betrachtet ohne statistische Bedeutung sind – um dann zu argumentieren, daß, wenn man alles zusammenfügt, die Befunde schon irgendwie gemeinsam eine Bedeutung gewinnen, die sie alleine nie besitzen.

Jüngst haben Cai und Tuo die gleiche Untersuchung der Hemisphären durchgeführt und sind, nicht überraschend, zum selben Ergebnis gekommen. Danach testeten sie, ob die Daten ein bestimmtes Modell der Dunklen Energie gegenüber einem anderen begünstigen – sie fanden nichts. Trotzdem gelang es Cai und Tuo, auf der Grundlage dieser Aussage eine Besprechung im Physics Arxiv Blog unter dem Titel „More Evidence for a Preferred Direction in Spacetime” zu bekommen – dies ist zu viel der Ehre, da es in Wirklichkeit die gleichen Befunde sind, die für einen anderen Zweck gesondert untersucht wurden.

Man kann durchaus bezweifeln, daß unter diesen Umständen alles endgültig geklärt ist. Doch das Gewicht der gegenwärtigen Beweise stützt trotz allem ein isotropes und homogenes Universum. Es ist aber sicher nicht von Nachteil, über die Grenzen der statistischen Aussagekraft solch begrenzter Datensätze nachzudenken. Dermaßen erzielte Randbefunde können schnell überholt sein, wenn neue Daten zur Verfügung stehen – hier z. Bsp. mehr Geschwindigkeitsmessungen von Supernovae des Typs Ia bei einer neuen Himmelsdurchmusterung oder ein schärferer Blick auf den kosmischen Mikrowellen-Hintergrund mit dem Plack-Satelliten.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1007.4347v3

Antoniou and Perivolaropoulos

Searching for a Cosmological Preferred Axis: Union2 Data Analysis and Comparison with Other Probes (2011)
arXiv:1109.0941v4

Ronggen Cai, Zhongliang Tuo

Direction Dependence of the Deceleration Parameter (2011)