Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Künstlerische Darstellung von Gravitationswellen. Tatsächlich erzeugt ein einzelnes, gleichförmiges, massereiches Objekt keine Gravitationswellen. Aber ein massereiches Binärsystem, bei dem sich die Partner auf einer Kreisbahn umrunden, könnte dynamische Pulse an Gravitationsenergie erzeugen, die auf der Erde gemessen werden könnten. Quelle: NASA
Gravitationswellen besitzen manch ähnliche Eigenschaften wie das Licht. Sie bewegen sich mit der gleichen Geschwindigkeit durch das Vakuum – und mit einer bestimmten Frequenz und Amplitude. Aber sie werden im Gegensatz zu Lichtwellen von Materie weder gestreut noch absorbiert.
Daher ist es wahrscheinlich, daß ursprüngliche Gravitationswellen, von denen man vermutet, daß sie beim Big Bang erzeugt worden sind, noch immer im All darauf warten, entdeckt und untersucht zu werden.
Gravitationswellen hat man auf indirektem Weg durch Beobachtungen des Pulsars PSR 1913+16, Teil eines Binärsystems, entdeckt. Dessen Umlaufbahn wird mit einer Rate von annähernd drei Millimeter pro Umlauf kleiner. Die Verringerung der Umlaufbahn kann nur durch einen unsichtbaren Energieverlust erklärt werden, von dem man vermutet, daß er das Ergebnis von Gravitationswellen ist, die Energie aus dem System forttragen.
Die direkte Beobachtung von Gravitationswellen ist gegenwärtig noch nicht möglich – aber scheint immerhin durch das Überwachen der Ausrichtung von weit voneinander getrennten Testmassen machbar. Solche Überwachungssysteme sind derzeit in Betrieb, wie z. Bsp. LIGO, bei dem die Testmassen bis auf 4 km voneinander getrennt sind – die Entfernung wird durch Laser überwacht, die so konstruiert sind, daß sie winzigste Änderungen dieser Entfernung messen. Die Änderungen könnten das Ergebnis einer durchlaufenden Gravitationswelle sein, die von einem entfernten Punkt im Weltall ausgelöst wurde.
Der Durchgang einer Gravitationswelle sollte die Erde ausdehnen und verkürzen. Aber nicht etwa, weil die Welle die Erde trifft und dabei kinetische Energie auf die Erde überträgt – wie eine Ozeanwelle, die auf Land trifft. Vielmehr hat die Erde – die innerhalb der Raumzeit sitzt – ihre Geometrie geändert und paßt sich so ständig der momentanen Stauchung und Streckung der Raumzeit an, wenn eine Gravitationswelle vorbeikommt.
Von Gravitationswellen vermutet man, daß sie durch Wechselwirkung mit Materie unbeeinflußt bleiben und daß sie sich mit Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ausbreiten, unabhängig davon, ob sie selbst in einem Vakuum sind oder nicht. Sie verringern über die zurückgelegte Wegstrecke ihre Amplitude (Wellenhöhe), aber nur durch Dämpfung. Dies gleicht der Art, wie eine Wasserwelle, die von dem Einschlagspunkt eines in einen Teich geworfenen Kieselsteins ausgeht, ihre Amplitude verringert. Die Verringerung der Amplitude ist gleich dem Quadrat des Radius des wachsenden Kreises, der sich bildet.
Gravitationswellen können auch über sehr große Entfernungen, bedingt durch die Expansion des Universums, in ihrer Frequenz abfallen (d.h. Anwachsen der Wellenlänge) – auf weitgehend dieselbe Art, wie die Wellenlänge des Lichts durch die Ausdehnung des Universums rotverschoben wird.
Dadurch bedeuten die äußerst winzigen Effekte, die von den Gravitationswellen erwartet werden, die regelmäßig durch die Erde laufen dürften, eine beträchtliche Herausforderung für die Entdeckung und Messung; zudem müssen diese winzigen Raumzeitfluktuationen von jedem Hintergrundrauschen unterschieden werden.
Das Hintergrundrauschen bei LIGO umfaßt seismische Störungen (Eigenbewegungen der Erde), instrumentelle Störungen (Temperaturänderungen, die die Ausrichtung der Meßgeräte beeinflussen) und eine Störung auf Quantenniveau, auch als Johnson-Nyquist-Rauschen bekannt. Johnson-Nyquist-Rauschen kommt von der Quantenunbestimmtheit der Aufenthaltsorte der Photonen.
Kip Thorne, einer der großen Namen zur Theorie und Erforschung von Gravitationswellen, hat allem Anschein nach durch die Anwendung der quantenmechanischen Grundsätze rückwirkungsfreier Messungen – was die Messung von etwas ermöglicht, ohne es zu zerstören oder anders ausgedrückt, ohne das die Wellenfunktion zusammenfällt – die letzten Schwierigkeiten beseitigt.
Doch ist die Notwendigkeit der Anwendung quantenmechanischer Grundsätze rückwirkungsfreier Messungen ein Hinweis auf die außerordentlich schwache Natur der Gravitationswellen – die im Allgemeinen eine schwache Signalstärke (d.h. kleine Amplitude) und niedrige Frequenz (d.h. lange, in der Tat sehr lange, Wellenlängen) aufweisen.
Während optisches Licht Wellenlängen um 390 Nanometer und Radiolicht Wellenlängen um 3 Meter besitzt, bewegen sich Gravitationswellen bei einer durchschnittlichen Supernova-Explosion in der Größenordnung von 300 Kilometern. Sie erreichen Wellenlängen von 300.000 Kilometer bei einwärts spiralisierenden binären Schwarzen Löchern und vielleicht 3 Milliarden Lichtjahre für die ursprünglichen Echos des Big Bang.
Damit liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor den Ingenieuren, um ein technisch machbares Niveau zu erreichen – obwohl Befürworter sagen, daß wir an der Schwelle zu unserer ersten bestätigten Beobachtung einer Gravitationswelle stehen – wobei sie allerdings auch damit rechnen, daß wir die Daten schon gesammelt haben, aber bis jetzt nicht genau verstehen, die Daten zu interpretieren.
Auf die Auswertung dieser Datenflut ist die gegenwärtige Suche der freiwilligen Anwender von Einstein@Home ausgerichtet – dem drittpopulärsten Computerprojekt nach SETI@Home (suche nach intelligenten außerirdischen Signalen) und Rosetta@Home (Proteinfaltung).
Dieser Beitrag folgt einem im Juli 2011 von Kip Thorne an der australischen Nationaluniversität gehaltenen, öffentlichen Vortrag. Er erläuterte Pläne für ein australisches LIGO-Projekt und zudem die bewegten Simulationen von Kollisionen Schwarzer Löcher, die in dem unten angegebenen Artikel beschrieben sind. Diese können eine Vorlage bieten, um die Wellenform zu bestimmen, die von zukünftigen Gravitationswellenobservatorien entdeckt werden.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden):
arXiv:1012.4869v2
Robert Owen et al.
Frame-Dragging Vortexes and Tidal Tendexes Attached to Colliding Black Holes:
Visualizing the Curvature of Spacetime (2011)