Astronomie ohne Teleskop – Entropie eines Schwarzen Lochs

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Ein einfacher Weg, über die Entropie Schwarzer Löcher nachzudenken ist, sich zu erinnern, daß Entropie den Verlust an Freier Energie eines Systems darstellt – Freie Energie ist für Arbeit verfügbar. Überflüssig zu sagen, daß alles, was in einem Schwarzen Loch verschwindet, nicht länger zum Verrichten von Arbeit im restlichen Universum zur Verfügung steht.
Ein einfacher Weg, um über den 2. Hauptsatz der Thermodynamik (der Satz, der sich mit Entropie beschäftigt) nachzudenken, ist sich in Erinnerung zu rufen, daß Wärme nicht von einem kälteren zu einem wärmeren Ort fließen kann – Wärme fließt nur anders herum. Daher sollte letztlich jedes abgeschlossene System einem Stadium thermischen Gleichgewichts zustreben. Man kann auch sagen: die Entropie eines abgeschlossenen Systems tendiert dazu, mit der Zeit zuzunehmen und erreicht ihren maximalen Wert, wenn das System sein thermisches Gleichgewicht erreicht.
Drückt man die Entropie mathematisch aus, so handelt es sich um eine berechenbare Größe, die mit der Zeit anwächst. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts brachte Jacob Bekenstein zum Ausdruck, daß die Entropie Schwarzer Löcher ein Problem in der Physik darstellt. Bekensteins Idee ist in etwa folgende: könnte man ein System mit bekanntem Wert für die Entropie über den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs katapultieren, wird die Entropie nicht mehr meßbar – so als ob die Entropie des Systems verschwindet. Dies ist eine Verletzung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik – denn die Entropie eines Systems sollte im besten Fall konstant bleiben – viel öfter sogar ansteigen – aber nicht plötzlich auf diese Art und Weise absinken.
Der beste Weg, mit diesem Problem umzugehen, liegt darin anzuerkennen, daß, welche Entropie auch immer ein System besitzt, diese ins Schwarze Loch hineingetragen wird, wenn das System dort hineinfällt. Dies ist ein weiterer Grund, warum man von Schwarzen Löchern annehmen kann, daß sie eine sehr hohe Entropie besitzen.
Nun kommen wir zum Problem der Information. Der Satz Zwölf Boxkämpfer jagen Viktor quer über den großen Sylter Deich ist ein höchst ausgereiftes System mit niedrigem Entropiewert – während das willkürliche Auslegen von 26 bunt bemalten Kacheln ein Zufallsobjekt mit hoher Entropie und hoher Unbestimmtheit (im Rahmen der Milliarden möglichen Variationen) liefert.
Wirft man nun die Kacheln mit dem Entropiewert, den sie durch das Auslegen gerade besitzen, in ein Schwarzes Loch, wird die Entropie vermutlich im Schwarzen Loch sogar noch darüber hinaus weiter anwachsen. Es ist wahrscheinlich, daß die Kacheln nicht nur noch mehr durcheinander gewirbelt werden, sondern im Schwarzen Loch sogar in kleinste Einheiten zertrümmert werden.
Es gibt ein fundamentales Prinzip in der Quantenmechanik: Information kann nicht zerstört oder verloren gehen. Dabei handelt es sich zwar um Wellenfunktionen und nicht um Kacheln – aber zum besseren Verständnis bleiben wir bei dieser Analogie.
Man verletzt den Erhaltungssatz der Information nicht, indem man ein Schwarzes Loch mit Kacheln füllt. Deren Information wird auf das Schwarze Loch übertragen und geht nicht verloren – selbst wenn die Kacheln in kleinste vorstellbare Einheiten zertrümmert werden, bleibt die Information in irgendeiner Form bestehen.
Aber in unermeßlichen Milliarden von Jahren tritt ein Problem auf. Das Schwarze Loch verdampft durch die Hawking-Strahlung, die auf Grund von Quantenfluktuationen am Ereignishorizont auftritt und keine kausale Verbindung mit den Bestandteilen des Schwarzen Lochs hat.

Hawking-Strahlung: eine Quantenfluktuation nah am Ereignishorizont des Schwarzen Lochs erzeugt ein Teilchen und ein Antiteilchen. Diese können wiederum zerstrahlen (annihilieren) oder zurück ins Schwarze Loch gezogen werden. Verbleibt ein Teilchen (nicht ein Antiteilchen, das sofort annihilieren würde) außerhalb des Ereignishorizonts, kann es sich frei im restlichen Universum bewegen. Für einen außenstehenden Beobachter scheint das Schwarze Loch Masse verloren und ein Teilchen abgestrahlt zu haben. Über die Zeit führt dieser Vorgang zum Verdampfen des Schwarzen Lochs. Quelle: NAU


 
Eine zurzeit bevorzugte Lösung dieses Problems ist das holographische Prinzip. Es schlägt vor, daß was immer in ein Schwarzes Loch eintritt, eine Spur auf dessen Ereignishorizont hinterläßt und zwar derart, daß die Information über den gesamten Inhalt des Schwarzen Lochs von der „Oberfläche“ des Ereignishorizonts abgeleitet werden kann. Dadurch ist die spätere Hawking-Strahlung auf einem Quantenniveau durch diese Information beeinflußt und zwar derart, daß es der Hawking-Strahlung gelingt, Information aus dem Schwarzen Loch zu tragen, wenn das Schwarze Loch verdampft.
Zhang et al. liefern einen anderen Ansatz. Sie schlagen vor, daß die Hawking-Strahlung über den Quanten-Tunneleffekt Entropie aus dem Schwarzen Loch transportiert. Da niedrigere Entropie niedrigere Unbestimmtheit bedeutet, folgt ein Nettogewinn an Information, die dem Schwarzen Loch entzogen wurde. Die Hawking-Strahlung befördert also nicht nur Entropie, sondern zudem auch Information aus dem Schwarzen Loch. Aber ist das überzeugender als das holographische Prinzip?
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:1102.5144v1
Baocheng Zhang, Qing-yu Cai, Ming-sheng Zhan, Li You
An interpretation for the entropy of a black hole (2011)