Aktive galaktische Kerne und Galaxiencluster-Kühlung

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Eine Aufnahme des Virgo-Galaxienclusters, der mehr als 2000 Mitglieder hat. Astronomen sind mit Hilfe neuer Computersimulationen von Galaxienclustern zu dem Ergebnis gekommen, daß AGN-Rückkopplung Sternentstehung steuern und auslöschen kann und den Zustrom von Gas in Galaxien unterdrückt.
NOIRLab/NSF/AURA

Galaxiencluster sind die größten und als letztes gebildeten Strukturen im Universum. Der zu uns am nächsten gelegene große Galaxiencluster ist der Virgo-Cluster mit circa 2000 Mitgliedern. (Die Milchstraße, wenn auch keinem Cluster zugehörig, ist sie Teil der mittelgroßen „Lokalen Gruppe“ von ungefähr fünfzig Galaxien, deren anderes großes Mitglied die Andromeda-Galaxie ist.) Zwischen den Galaxien eines Clusters befindet sich das Intraclustermedium (ICM), Raum, der mit heißem ionisiertem Gas gefüllt ist, dessen Temperatur zehn Millionen Kelvin oder mehr erreichen kann. Das Gleichgewicht zwischen dem Abkühlen und Aufheizen des ICM steuert die Eigenschaften und Entwicklung der Clusterkerne, ist aber spärlich verstanden. Beobachtungen haben gezeigt, daß Cluster grob in zwei Gruppen fallen, näherungsweise beschrieben als solche, bei denen das Aufheizen kontinuierlich der in Richtung des Clusterzentrums gelegenen wenigen tausend Lichtjahre abnimmt, den „kalten Kernen“, und denjenigen, wo dies nicht geschieht, den „nichtkalten Kernen“. Andere Beobachtungen legen nahe, daß kalte Kerncluster unverändert geblieben sind, seit das Universum nur ungefähr fünf Milliarden Jahre alt war, was darauf schließen läßt, daß die Eigenschaft eines Clusters relativ früh in seinem Leben festgelegt ist.

Astronomen nehmen an, daß Rückkopplung durch einen von zwei physikalischen Prozessen für das Aufrechterhalten von Clusteraufheizung und -abkühlung verantwortlich ist: Abströmungen, angetrieben durch aktive galaktische Nuklei (AGN, akkretierende supermassereiche Schwarze Löcher in den Kernen von Galaxien), oder Galaxienverschmelzungen. Computersimulationen der Clusterbildung älteren Datums favorisierten AGN. Sie stellten fest, daß AGN Abströmungen hervorbringen könnten, die den Einstrom von heißem Gas unterdrücken und so Kernabkühlung erleichtern – aber es gab zahlreiche Hinweise, vorsichtig zu sein, etwa die Häufigkeit schwerer Elemente in dem Gas. CfA-Astronomin Urmila Chadayammuri und ihre Kollegen nutzten die neue ROMULUSC-Simulation, die in der Lage ist, „kleine“ Strukturen in der Größenordnung von nur einigen Milliarden Sonnenmassen in einem Cluster, der annähernd einhunderttausend Mal größer ist, aufzulösen. ROMULUSC kann auch Sternentstehung und die Rückkopplung von Supernovae, turbulenter Zerstreuung und Folgen der AGN-Akkretion erfassen.

Die Astronomen stellen in Übereinstimmung mit früheren Hinweisen fest, daß AGN die Kühlung innerhalb von Clusterkernen steuern können, und das derart, ohne die Struktur des Clusters zu stören. Demgegenüber bringen Verschmelzungen, oder zumindest Frontalverschmelzungen, den Cluster erheblich mit Folgen durcheinander, die mehrere Milliarden Jahre andauern und AGN-Aktivität um Größenordnungen unterdrücken. Die AGN-Rückkopplung unterdrückt ebenfalls Sternbildung (sie hilft, das Material zu warm zu halten, damit es zu Sternen kollabieren kann), während sich durch den AGN aufgeheiztes Gas auf großen Skalen schnell auflöst. Die Autoren heben hervor, daß ihre Simulationen nur für einen einzelnen Cluster gelten. Sie merken an, daß für einen vollinhaltlichen Abgleich mit Beobachtungen Untersuchungen an größeren Volumina notwendig sind, doch da diese mit heutigen Computern nicht durchführbar sind, weisen sie auf einige alternative Techniken hin, die in zukünftigen Arbeiten genutzt werden könnten.

Literatur:

„Fountains and Storms: The Effects of AGN Feedback and Mergers on the Evolution of the Intracluster Medium in the ROMULUSC Simulation“

Urmila Chadayammuri, Michael Tremmel, Daisuke Nagai, Arif Babul and Thomas Quinn

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 504, 3922, 2021

oder

arXiv:2001.06532v2 [astro-ph.GA] 7 Apr 2021