Ableitung der Sternentstehungsraten von Galaxien

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Die dynamische Sternentstehungsregion RCW 106 in unserer Galaxis – hier im infraroten Licht. Astronomen schätzen Sternentstehungsraten in anderen Galaxien durch die Messung von deren Gasgehalt und Stärke der infraroten Strahlung ab. In einer neuen Studie zählten Astronomen die neuen Sterne in RCW 106 und fünf anderen lokalen Gebieten mit aktiver Sternentstehung, um die Zuverlässigkeit dieser Methode zu überprüfen.
NASA / Spitzer


 
Unsere Milchstraße bringt jedes Jahr insgesamt durchschnittlich mehrere neue Sterne hervor. Massereiche junge Sterne emittieren große Mengen an ultravioletter Strahlung, die den lokalen Staub aufheizt und so ruft der Sternentstehungsprozeß infrarote Strahlung hervor. Der 1983 für eine zehnmonatige Mission von der NASA gestartete Satellit IRAS entdeckte, daß im Universum einige Galaxien ultraleuchtkräftig sind; sie strahlen das hundert- oder gar tausendfache an Licht ab als die Milchstraße – das meiste davon im Infraroten. Astronomen sehen heute die gewaltigen Ausbrüche an Sternentstehung als Quelle dieser gewaltigen Leuchtkraft, lediglich vergrößerte Spielarten (Schmidt-Beziehung genannt) der Vorgänge in der Milchstraße. Farben und weitere Gestaltmerkmale ultraleuchtkräftiger Galaxien stehen mehr oder minder mit dieser Deutung in Übereinstimmung. Falls dem so sein sollte, bilden diese Galaxien Sterne mit einem überraschend hohen Wirkungsgrad und vielleicht auf ungewöhnlichen Wegen. Astronomen, die ihre Modelle verbessern wollen, untersuchen daher den Umfang, bis zu dem Sternentstehungsraten von einer einfachen Skalierungsbeziehung berechtigterweise abgeleitet werden können sowie den Grad, in dem andere Vorgänge wie Akkretion Schwarzer Löcher im galaktischen Zentrum die Strahlung der Sternentstehung ergänzen könnte.
Die CfA-Astronomen Sarah Willis, Andres Guzman, Howard Smith und Juan Rafael Martínez-Galarza entschlossen sich mit zwei weiteren Kollegen, diesen Fragen durch eine Untersuchung der Sternentstehungsaktivität in fünf Regionen mit derzeit starker Sternentstehung in unserer Milchstraße nachzugehen. Diese Molekülwolken hält man für kleine Prototypen der gewaltigen Sternentstehungsgebiete, die in leuchtkräftigen Galaxien aktiv sind. Da diese Molekülwolken uns aber bedeutend näher stehen, ist es möglich, die Zahl der neuen Sterne in ihnen direkt zu zählen und diese Zahl eben nicht aus einer Leuchtkraft durch Hochrechnen mit der Schmidt-Beziehung abzuleiten. Unter Verwendung von Infrarotaufnahmen durch das Spitzer-Weltraum-Teleskop und ergänzenden Beobachtungen von der Erde aus entdeckte die Gruppe 2.871 neu entstandene Sterne in diesen Regionen; sie schätzten dann die Entstehungsraten der Sterne in verschiedenen Zonen überall in den Quellen ab, indem sie die visuelle Abschwächung als Maß für die Menge an vorhandenem Staub und Gas nutzten. Ihre Resultate stimmten annähernd mit einer geläufigen Schmidt-Beziehung überein, aber die Astronomen entdeckten erhebliche Abweichungen quer durch die Zonen, wobei die eindrucksvollsten Gebiete Sterne tausendfach effektiver erzeugen als die am wenigsten aktiven (aber immer noch Sterne bildenden) Regionen. Die Forscher folgern, daß zumindest auf lokaler Ebene es keine allgemeingültige Beziehung zwischen der Dichte des molekularen Gases und der Sternentstehung gibt.
Literatur:
„The Schmidt Law in Six Galactic Massive Star-forming Regions“
S. Willis, A. Guzman, M. Marengo, H. A. Smith, J. R. Martínez-Galarza, and L. Allen
The Astrophysical Journal, 809:87 (15pp), 2015 August 10