Zweifel an der Helligkeitsgrenze von Quasaren

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Erdgebundene Radiobeobachtungen des Quasars 3C 273 (die Beschriftung erklärt, daß es sich um Beobachtungen mit dem VLBA bei einer Radiofrequenz von 1.7 GHz handelt) zeigen den gewaltigen Jet und hellen Kern. Bei neuen, gemeinsamen Beobachtungen mit dem zehn Meter messenden RadioAstron Weltraum-Radioteleskop wurde entdeckt, daß der helle Kern sogar um einen Faktor von etwa hundert heller als zuvor vermutet ist und heutige Theorien in Frage stellt.
Kovalev et al.

Quasare sind Galaxien mit massereichen Schwarzen Löchern in ihren Kernen, die ungeheure Mengen an Energie abstrahlen. Es wird so viel Licht ausgesandt, daß der Kern eines Quasars viel heller als der Rest der gesamten Galaxie ist und diese gewaltigen Leuchtkräfte erlauben es, Quasare zu sehen, auch wenn sie sehr weit entfernt sind. Die meiste Strahlung liegt im Radiobereich und wird in riesigen Jets durch Elektronen erzeugt, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aus dem Kern ausgestoßen werden. Solche sich schnell bewegenden, geladenen Teilchen können Photonen streuen und an diese Energie unter Verlust einer entsprechenden Menge an eigener Energie übertragen. Unter extremen Bedingungen, wie man sie in Quasaren findet, streuen die sich bewegenden Teilchen die Photonen, die sie selbst aussenden und im Ergebnis sind die Geschwindigkeiten, die die Teilchen erreichen können, selbstbeschränkt. Astronomen messen diese Bedingungen mit einer Helligkeitstemperatur und herkömmliche Schätzungen kommen zu dem Schluß, daß das Maximum solch einer Temperatur bei etwa einer Billion (!) Grad liegt.

Helligkeit hat einen Betrag, der von der Größe abhängt: eine kleine Quelle, die so viel Energie wie eine große Quelle abstrahlt, scheint heller zu sein. Um die Größe des strahlenden Bereichs in Quasaren einzugrenzen, startete 2011 die russische Raumfahrtagentur das zehn Meter messende Weltraum-Radioteleskop RadioAstron mit dem Ziel, neuartige, räumlich hochaufgelöste Radio- „Langbasisinterferometrie“-Messungen durchzuführen, wenn das Teleskop mit erdgebundenen Radioantennen verbunden ist. Das Instrument wurde eingesetzt, um den sehr leuchtkräftigen Quasar 3C 273 zu untersuchen, der ungefähr zwei Milliarden Lichtjahre entfernt ist. Frühere Beobachtungen von 3C 273 ließen vermuten, daß sein Strahlungsgebiet größenmäßig weniger als ein Lichtmonat (die Entfernung, die Licht in einem Monat zurücklegen kann, ein Zwölftel eines Lichtjahrs) betrug; dies beruht teilweise auf dem Befund, daß sich Licht auf einer Zeitskala von Monaten änderte. Die zugehörige Helligkeitstemperatur liegt nahe bei der nominellen Grenze.

Die CfA-Astronomen Michael Johnson und Ramesh Narayan bestimmten mit ihren Kollegen vom RadioAstron-Team die Helligkeitstemperatur von 3C 273 und entdeckten, daß er offenbar die angebliche Grenze der Helligkeitstemperatur um nahezu den Faktor 100 übertraf. Das Team überlegte sich eine Anzahl möglicher Effekte, die das dramatische Ergebnis mindern könnten; so ist zum Beispiel der Winkel, unter dem der Strahl der sich schnell bewegenden Teilchen zu sehen ist, nicht genau bekannt, geht aber in die Berechnung mit ein. Das Team kommt zu dem Schluß, daß die Abweichung echt ist. In zwei Arbeiten legen die Wissenschaftler die Ergebnisse dar und schlagen einige mögliche Erklärungen vor. Ein davon ist, daß turbulentes Gas in unserer Galaxis das Licht des Quasars verzerrt, ein Effekt, der bis zu diesen Messungen mit höherer Auflösung nicht beobachtet worden ist. Eine weitere, spektakulärere Alternative ist, daß einige unbekannte physikalische Prozesse im Umfeld des supermassereichen Schwarzen Lochs am Werk sind.

Literatur:

„RadioAstron Observations of the Quasar 3C 273: A Challenge to the Brightness Temperature Limit“

Y. Y. Kovalev, N. S. Kardashev, K. I. Kellermann, A. P. Lobanov, M. D. Johnson, L. I. Gurvits, P. A. Voitsik, J. A. Zensus, J. M. Anderson, U. Bach, D. L. Jauncey, F. Ghigo, T. Ghosh, A. Kraus, Yu. A. Kovalev, M. M. Lisakov, L. Yu. Petrov, J. D. Romney, C. J. Salter, and K. V. Sokolovsky

The Astrophysical Journal Letters, 820:L9 (6pp), 2016 March 20

und

„Extreme Brightness Temperatures and Refractive Substructure in 3C 273 with RadioAstron“

Michael D. Johnson, Yuri Y. Kovalev, Carl R. Gwinn, Leonid I. Gurvits, Ramesh Narayan, Jean-Pierre Macquart, David L. Jauncey, Peter A. Voitsik, James M. Anderson, Kirill V. Sokolovsky, and Mikhail M. Lisakov

The Astrophysical Journal Letters, 820:L10 (6pp), 2016 March 20