Webb entdeckt extrem kleinen Hauptgürtelasteroiden

Originalveröffentlichung am 06.02.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Das Objekt gehört zur wenig bekannten Subkilometerkategorie der Asteroiden im Hauptgürtel

Ein Asteroid von schätzungsweise der Größe des römischen Kolosseums – zwischen 100 und 200 Metern Länge – wurde von einem internationalen Team europäischer Astronomen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA entdeckt. Das in dieser künstlerischen Darstellung gezeigte Objekt ist wahrscheinlich das kleinste, das bisher von Webb beobachtet wurde.

Die Entdeckung war rein zufällig – der Asteroid wurde in Kalibrierungsbildern eines anderen Asteroiden gefunden. Der glückliche Fund läßt vermuten, daß Webb viele solcher Objekte entdecken kann.

Ein Asteroid von schätzungsweise der Größe des römischen Kolosseums – zwischen 100 und 200 Metern Länge – wurde von einem internationalen Team europäischer Astronomen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA entdeckt. Für ihr Projekt nutzten sie Daten aus der Kalibrierung des Mid-InfraRed Instrument (MIRI), bei der das Team zufällig einen sich dazwischen drängenden Asteroiden entdeckte. Das Objekt ist wahrscheinlich der kleinste bisher von Webb beobachtete Asteroid und könnte ein Beispiel für ein Objekt von weniger als 1 km Länge innerhalb des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter sein. Es sind weitere Beobachtungen erforderlich, um die Natur und die Eigenschaften dieses Objekts besser zu beschreiben.

“Wir haben – völlig unerwartet – einen kleinen Asteroiden in öffentlich zugänglichen MIRI-Kalibrierungsbeobachtungen entdeckt”, erklärt Thomas Müller, Astronom am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Deutschland. “Die Messungen sind einige der ersten MIRI-Messungen, die auf die Ebene der Ekliptik abzielen, und unsere Arbeit deutet darauf hin, daß viele neue Objekte mit diesem Instrument entdeckt werden können.”

Diese Webb-Beobachtungen, die im Journal Astronomy and Astrophysics veröffentlicht wurden, dienten nicht der Suche nach neuen Asteroiden, sondern waren Kalibrierungsbilder des Hauptgürtel-Asteroiden (10920) 1998 BC1, den Astronomen 1998 entdeckt hatten. Die Beobachtungen wurden durchgeführt, um die Leistung einiger MIRI-Filter zu testen, aber das Kalibrierungsteam war der Ansicht, daß sie aus technischen Gründen aufgrund der Helligkeit des Ziels und einer versetzten Teleskopausrichtung fehlgeschlagen waren. Dennoch nutzte das Team die Daten des Asteroiden 10920, um eine neue Technik zur Eingrenzung der Umlaufbahn eines Objekts und zur Schätzung seiner Größe zu entwickeln und zu testen. Die Gültigkeit der Methode wurde für den Asteroiden 10920 anhand der MIRI-Beobachtungen in Kombination mit Daten von bodengestützten Teleskopen und der Gaia-Mission der ESA nachgewiesen.

Im Zuge der Auswertung der MIRI-Daten entdeckte das Team den kleineren Eindringling im gleichen Sichtfeld. Die Ergebnisse des Teams legen nahe, daß das Objekt 100-200 Meter groß ist, eine sehr niedrig geneigte Umlaufbahn einnimmt und sich zum Zeitpunkt der Webb-Beobachtungen in der inneren Hauptgürtelregion befand.

“Unsere Ergebnisse zeigen, daß selbst ‘mißlungene’ Webb-Beobachtungen wissenschaftlich nützlich sein können, wenn man die richtige Einstellung und ein bißchen Glück hat”, so Müller. “Unsere Entdeckung liegt im Hauptasteroidengürtel, aber die unglaubliche Empfindlichkeit von Webb machte es möglich, dieses etwa 100 Meter große Objekt in einer Entfernung von mehr als 100 Millionen Kilometern zu sehen.”

Die Entdeckung dieses Asteroiden – von dem das Team vermutet, daß er der kleinste bisher von Webb beobachtete Asteroid und einer der kleinsten im Hauptgürtel ist – würde, wenn sie sich als neue Entdeckung eines Asteroiden bestätigt, wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems haben. Aktuelle Modelle sagen das Vorkommen von Asteroiden bis hinunter zu sehr kleinen Größen voraus, aber kleine Asteroiden wurden aufgrund der Schwierigkeit, diese Objekte zu beobachten, bisher weniger detailliert untersucht als ihre größeren Gegenstücke. Künftige spezielle Webb-Beobachtungen werden es den Astronomen ermöglichen, Asteroiden mit einer Größe von weniger als 1 Kilometer zu untersuchen.

Darüber hinaus deutet dieses Ergebnis darauf hin, daß Webb auch zufällig zur Entdeckung neuer Asteroiden beitragen kann. Das Team vermutet, daß selbst kurze MIRI-Beobachtungen in der Nähe der Ebene des Sonnensystems immer ein paar Asteroiden enthalten werden, von denen die meisten unbekannte Objekte sein werden.

Um zu bestätigen, daß es sich bei dem entdeckten Objekt um einen neu entdeckten Asteroiden handelt, sind weitere Positionsdaten relativ zu Hintergrundsternen aus Folgestudien erforderlich, um die Umlaufbahn des Objekts einzugrenzen.

“Dies ist ein phantastisches Ergebnis, das die Fähigkeiten von MIRI unterstreicht, zufällig eine bisher nicht nachweisbare Größe von Asteroiden im Hauptgürtel zu entdecken”, schloss Bryan Holler, Webb Support Scientist am Space Telescope Science Institute in Baltimore, Maryland. “Wiederholungen dieser Beobachtungen sind in Planung, und wir rechnen auf diesen Bildern fest mit neuen Asteroiden.”

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).

Illustration eines Asteroiden (Künstlerische Impression)

Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, CSA, N. Bartmann (ESA/Webb), Martin Kornmesser (ESA),
Serge Brunier (ESO), Nick Risinger (Photopic Sky Survey)

Über das Bild: Ein Asteroid von der Größe des römischen Kolosseums – zwischen 100 und 200 Metern Länge – wurde von einem internationalen Team europäischer Astronomen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA entdeckt. Sie nutzten Daten aus der Kalibrierung des MIRI-Instruments, bei der das Team zufällig einen dazwischen drängenden Asteroiden entdeckte. Das Objekt ist vermutlich der kleinste bisher von Webb beobachtete Asteroid und könnte ein Beispiel für ein Objekt mit einer Länge von weniger als einem Kilometer innerhalb des Asteroiden-Hauptgürtels zwischen Mars und Jupiter sein. Weitere Beobachtungen sind erforderlich, um die Natur und die Eigenschaften dieses Objekts besser zu charakterisieren.