Sind ultraleuchtkräftige Galaxien am kollidieren?

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Vom Hubble-Weltraum-Teleskop gewonnene Aufnahme einer leuchtkräftigen fernen Galaxie, die durch eine Verschmelzung zerrissen wurde. Eine neue Untersuchung an 2.084 fernen, leuchtkräftigen Infrarot-Galaxien zeigt, daß es im Gegensatz zu einigen früheren Ergebnissen keinen überzeugenden Beweis dafür gibt, daß die meisten sich nicht in einem Verschmelzungsprozess befinden. NASA / Hubble


Ultraleuchtkräftige infrarote Galaxien (ULIRGs) sind Galaxien, deren Leuchtkraft die von einer Billion Sonnen übertrifft. Zum Vergleich: unsere Milchstraße hat eine recht bescheidene Leuchtkraft von nur etwa zehn Milliarden Sonnen. ULIRGs wurden durch einen den ganzen Himmel im Infraroten abtastenden Satelliten in den 1980er Jahren entdeckt und seither ist der Ursprung (Ursprünge) ihrer gewaltigen Strahlung breit diskutiert worden. Extreme Infrarotaktivität geht bekanntlich mit wechselwirkenden Galaxien einher und optische Aufnahmen zeigen, daß viele ULIRGs tatsächlich eine Kollision durchlaufen. Die beiden wichtigsten bekannten Quellen für die gesamte Energieerzeugung in Galaxien sind Sternentstehung und Akkretionsaktivität um ein massereiches Schwarzes Loch im galaktischen Zentrum (ein sogenannter aktiver galaktischer Kern). Beide Vorgänge erzeugen Strahlung, die den Staub aufheizt. Verschmelzungen könnten ebenfalls zu einer starken Infrarotstrahlung führen, da sie helfen, diese Art von lebhafter Sternentstehung anzutreiben.
Das Problem rückt noch stärker ins Blickfeld, denn früher in unserem Universum – etwa zehn Milliarden Jahre nach dem Urknall, als die meisten Sterne des heutigen Universums gebildet waren – sprechen einige Anzeichen dafür, daß ultraleuchtkräftige Galaxien nicht verschmelzen – dies besagt, daß die vorherrschenden Mechanismen der Sternbildung keine Verschmelzungen erfordern. Diese fernen, hellen Galaxien sind neben anderen Merkmalen beispielsweise reich an molekularem Gas und möglicherweise hat ihre lebhafte Sternentstehung nur wenig mit dem Bild verschmelzender Galaxien zu tun? So oder so bleibt unklar, welcher physikalische Mechanismus genau die Leuchtkraft mit Energie versorgt. Ob diese Galaxien tatsächlich kollidieren, ist schwer festzustellen, da verschmelzende Galaxien an morphologischen Deformationen ihrer Gestalt zu erkennen sind und in fernen Galaxien solche Störungen schwer auszumachen sind.
Chao-Ling Hung und Howard Smith vom CfA haben sich einer Gruppe von Astronomen angeschlossen, um eine Auswahl an 2.084 infrarotleuchtkräftige Galaxien mit der Advanced Camera for Surveys an Bord des Hubble-Weltraum-Teleskops zu untersuchen. Aus den quantitativen Messungen der Galaxiendeformation folgern sie, daß im Gegensatz zu einigen früheren Arbeiten es keinen aussagekräftigen Hinweis dafür gibt, daß die entferntesten ULIRGs in geringerer Zahl an Verschmelzungen beteiligt sind als lokale ULIRGs; nur eine geringe, 20-prozentige Abnahme ist gemessen worden. Das Ergebnis stellt die herkömmliche Meinung in Frage und würde, wenn es sich bestätigen sollte, bedeuten, daß die Vorgänge, welche die Sternbildung antreiben, sich in den letzten Milliarden Jahren nicht wesentlich verändert haben.
Literatur:
“A comparison of the morphological properties between local and z ∼ 1 infrared luminous galaxies: Are local and high-z (U)LIRGs different?”
Chao-Ling Hung, B. Sanders, Caitlin M. Casey, Michael Koss, Kirsten L. Larson, Nicholas Lee, Yanxia Li, Kelly Lockhart, Hsin-Yi Shih, Joshua E. Barnes, Jeyhan S. Kartaltepe, and Howard A. Smith
The Astrophysical Journal, 791:63 (10pp), 2014 August 10