Planetenbildung in der Anfangsphase stellarer Entwicklung

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Die Scheibe um den jungen Stern IRS 63 (er ist nur ungefähr fünfhunderttausend Jahre alt), wie mit ALMA bei Millimeter-Wellenlängen zu sehen. Die beiden Ringe und Lücken der Scheibe sind mit R und G beschriftet; die Längenskala in Astronomischen Einheiten ist beigefügt. Dies ist die jüngste, je abgebildete stellare Scheibe und ihre unscharfen Ränder legen nahe, daß in diesem frühen Stadium Planeten (möglicherweise etwas anderes) gerade erst begonnen haben, der Scheibe die Form scharf definierter Ringe und Lücken zu geben, die in älteren Systemen zu sehen sind.
Segura-Cox et al. 2020; ALMA

Wenn das langsam rotierende Material in einer prästellaren Verdichtung kollabiert, um einen Stern zu bilden, formt die Drehimpulserhaltung das Material zu einer zirkumstellaren Scheibe. Planeten bilden sich aus Gas und Staub in diesen Scheiben, deren Struktur und Entwicklung so Schlüssel zum Enträtseln des planetenbildenden Prozesses sind. Derzeit gibt es zwei favorisierte Vorstellungen; ein Kernakkretionsmodell, bei dem sich Planeten durch Zusammenwachsen von Staubkörnern aufbauen und ein Gravitations-Instabilitäten-Modell, bei dem sich während der Anfangsphase der Scheibenentwicklung Klumpen entwickeln und zu Planetesimalen anwachsen.

Astronomen konnten bislang Scheiben von über einhundert jungen Sternen fotografieren und ihre Existenz bei vielen weiteren ableiten. Fünfunddreißig der abgebildeten Scheiben sind nur rund eine Million Jahre alt und haben in letzter Zeit begonnen, die Geburtswolke aus Material, aus dem sie entstanden, aufzulösen. Bei Submillimeter-Wellenlängen, bei denen der kalte Staub am wirkungsvollsten strahlt, zeigen diese Scheiben helle Ringe und leere Lücken, die auf der Anwesenheit von jungen Planeten beruhen sollen, welche den Staub zu Ringen zusammenführt und die Lücken leerräumt. Diese Entdeckungen besagen jedoch, daß Planetenbildung bei sogar noch früheren Stadien begonnen haben muß – doch sind jüngere Sterne mit Scheibe nicht entdeckt worden, bis jetzt.

Astronom Ian Stephens vom CfA war Mitglied einer Gruppe, die mit dem Millimeter-Teleskop ALMA das Objekt IRS 63 abbildete, dessen Scheibe durch das Submillimeter Array identifiziert worden war, aber mit unzureichender Auflösung, um die Ringe zu sehen. Die Infrarotstrahlung dieses Systems deutet darauf hin, daß es jünger als ungefähr fünfhunderttausend Jahre ist. Der Stern ist relativ nah, nur ungefähr fünfhundert Lichtjahre entfernt; Bilder von ALMA können Strukturen so klein wie fünf Astronomische Einheiten (eine AE ist die durchschnittliche Distanz Erde – Sonne) auflösen und sie enthüllen zwei Ringe und zwei Lücken, der erste Nachweis solch protoplanetarer Scheiben bei einem derart jungen Stern. Bemerkenswert ist, daß die Ringe und Lücken weniger weit entwickelt zu sein scheinen als jene um ältere Sterne in dem Sinne, daß die Ringe viel weniger klar umrissen und die Lücken bis jetzt nicht von Staub freigeräumt sind. Der innere Ring befindet sich rund siebenundzwanzig AE, der äußere Ring etwa einundfünfzig AE vom Stern entfernt.

Die Wissenschaftler warnen jedoch, daß konzentrische zirkumstellare ringförmige Strukturen von sich aus die Anwesenheit von Planeten nicht erfordern. Eine Vielzahl anderer physikalischer Prozesse könnten ähnliche Strukturen entwickeln, darunter Scheibenwinde oder asymmetrische Akkretion von Material aus einer äußeren Hülle. Selbst wenn sich jedoch bisher keine Planeten geformt oder sich die Staubkörner bislang nicht zu größeren Massen zusammengeballt haben, könnten diese Staubringe um einen solchen Stern im Anfangsstadium als ideale Zonen für die zukünftige Entwicklung von Planetesimalen dienen. Die jetzt in Nature publizierte neue Arbeit ist ein wichtiger Schritt, die frühesten Schritte der Planetenbildung einzugrenzen.

Literatur:

„Four Annular Structures in a Protostellar Disk Less Than 500,000 Years Old”

Dominique M. Segura-Cox, Anika Schmiedeke, Jaime E. Pineda, Ian W. Stephens, Manuel Fernández-López, Leslie W. Looney, Paola Caselli, Zhi-Yun Li, Lee G. Mundy, Woojin Kwon & Robert J. Harris

Nature 586, 228, 2020

oder

arXiv:2010.03657v1 [astro-ph.EP]