Neon-Häufigkeit in nah gelegenen Sternen

(Originalarbeit unter https://chandra.harvard.edu)

Chandra-Entdeckung löst solares Paradoxon

Spectrum: NASA/CXC/J. Drake & P. Testa
Illustration: NASA/CXC/M. Weiss

Manchmal muß man die Heimat verlassen, um sie wirklich zu verstehen. Zwei Forscher versuchten eine Variante dieses Themas, indem sie Chandra-Beobachtungen von Sternen, die Hunderte Lichtjahre von der Erde entfernt sind, nutzten, um die Sonne besser zu verstehen, die nur 8 Lichtminuten (150 Millionen Kilometer) entfernt ist.

Das Problem lag in der lästigen Frage, wieviel Neon in der Sonne vorkommt. Dieses scheinbar unwichtige Stück Wissen stellt sich als wichtig für Wissenschaftler heraus, die versuchen zu verstehen, wie die Sonne arbeitet. Und die Sonne, der nächstgelegene und einigermaßen durchschnittliche Stern, ist ein naheliegender Startpunkt zum Verständnis, wie die meisten anderen Sterne im Universum funktionieren.

Neon, mitsamt Atomen des Kohlenstoffs, Stickstoffs und Sauerstoffs, spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Rate, mit der die Energie aus den Kernreaktionen im Zentrum der Sonne an ihre Oberfläche fließt. Die Art des Energie-flusses ändert sich dramatisch etwa 200,000 Kilometer unterhalb der Sonnenoberfläche, wo die langsame Wärmediffusion plötzlich in eine konvektive Bewegung umschlägt (siehe Illustration), so wie die instabile Luft in einem Gewitter.

Der Ort dieser turbulenten Region, Konvektionszone genannt, ist mit recht großer Genauigkeit aus der Untersuchung von Schwingungen der Sonnenoberfläche abgeleitet worden (eine Technik, die sich Helioseismologie nennt, in Analogie zu Erdschwingungen, um damit deren Inneres zu untersuchen). Die Lage der Konvektionszone kann auch aus theoretischen Berechnungen, die unter anderem auf der Häufigkeit von Neon beruhen, mit der gleichen Genauigkeit hergeleitet werden.

An dieser Stelle bekommen Astrophysiker Probleme. Die beiden Ergebnisse stimmen nicht überein. Einige Wissenschaftler haben vorgeschlagen, daß das Paradoxon gelöst werden könnte, wenn die solare Häufigkeit von Neon in Wirklichkeit ungefähr drei Mal größer ist als der gegenwärtig anerkannte Wert. Dieser Wert beruht auf indirekten Abschätzungen, da Gas bei der recht kühlen Oberflächentemperatur von 6,000 Grad Celsius keine für Neon kennzeichnende Strahlung bei optischen Wellenlängen abgibt.

Ein auf Millionen Grad aufgeheiztes Gas erzeugt jedoch ein eindeutiges Neonsignal im Röntgenlicht. Die oberen Atmo-sphären, die Koronae, von Sternen wie die Sonne besitzen Temperaturen von Millionen Grad, sodaß die Sonnenkorona ein guter Ort zu sein schien, den Streit zu klären (nicht mit Chandra – die helle Sonnenstrahlung würde das Teleskop irreparabel schädigen).

Die solare Röntgenstrahlung stammt bedauerlicherweise von zahlreichen, örtlich begrenzten Schleifen aus heißem Gas, das sich von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit ändert und so die Interpretation der Daten über Neon schwierig macht. Jeremy Drake vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, Massachusetts, und seine Kollegin Paola Testa am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge entwickelten einen originellen Ansatz für das Problem. Sie nutzten Chandra, um die Neonhäufigkeit in 21 sonnenähnlichen Sternen im Umkreis von 400 Lichtjahren zu messen (als Beispiel siehe das Spektrum von II Pegasi im Einschub).

Der relative Anteil an Neon in diesen Sternen war im Durchschnitt nahezu drei Mal häufiger als der für die Sonne gemessene Wert – genau der erforderliche Betrag, um die Beobachtungen der solaren Schwingungen und das theoretische Modell in Übereinstimmung zu bringen. Für den Moment jedenfalls können Astrophysiker das Gefühl haben, daß ihr Modell von der Sonne am Ende richtig sein kann und sie weiterhin dieses Wissen wagemutig auf den Rest des Universums anwenden können.