Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Die meisten Galaxien beheimaten in ihren Kernen supermassereiche Schwarze Löcher, jedes von ihnen Millionen oder Milliarden Sonnenmassen schwer. Um die Schwarzen Löcher sollten ein Torus aus Gas und Staub sowie eine akkretierende Scheibe vorkommen, die sehr heiß wird, da Material auf sie herabstürzt. Die Scheibe wiederum heizt mit ihrer Strahlung den Torus und das zirkumnukleare Gas sowie den zirkumnuklearen Staub auf. Solch ein aktiver galaktischer Kern (engl.: active galactic nucleus = AGN) strahlt im gesamten Spektrum, während der Staub oft den Blick auf die innersten Regionen versperrt. Oft werden auch gewaltige bipolare Jets aus geladenen Teilchen ausgestoßen. Strahlung vom Torus kann unmittelbar bei infraroten Wellenlängen beobachtet werden und, wenn sie an den sich schnell bewegenden Teilchen gestreut wird, auch bei Röntgenenergien.
Aktive galaktische Kerne gehören zu den spektakulärsten und interessantesten Phänomenen in der extragalaktischen Astronomie. Alle maßgeblichen AGN-Modelle sagen die Anwesenheit von einem Torus und einer Akkretionsscheibe vorher, aber die Details dieser Region direkt zu untersuchen ist schwierig, denn der Torus wird mit nur hunderten Lichtjahren in der Ausdehnung für relativ klein gehalten. Jedoch hat ALMA kürzlich Messungen von Strukturen in einem nah gelegenen AGN sowohl im Kontinuum als auch in der Linienemission von Molekülen ermöglicht. NGC 5643 ist eine Face-on-Spiralgalaxie, die einen AGN und bipolare Jets besitzt. Im Jahr 2018 entdeckte ALMA im Kern von NGC 5643 eine langgestreckte Struktur, die sich über ungefähr achtzig Lichtjahre erstreckt (für die kühlere molekulare Gaskomponente in Emission findet man ungefähr 200 Lichtjahre). Wissenschaftler schlugen vor, daß die Struktur der erwartete Torus des AGN war und das zugehörige molekulare Material verantwortlich für die Verdunklung des AGN und die Kollimation der Jets ist.
Die Astronomen Pepi Fabbiano, Aneta Siemiginowska und Martin Elvis vom CfA haben nun mit einem Kollegen mittels dem Chandra-Röntgen-Observatorium die Region und den zugehörigen Torus im Röntgenlicht abgebildet. Das Team betrachtete die Energie einer hellen Röntgenlinie des Eisens und fand eine ausgedehnte Struktur von ungefähr 200 Lichtjahren, die ziemlich gut mit der Struktur der kühleren molekularen Gaskomponente aus der ALMA-Messung übereinstimmt und klumpig zu sein scheint. Diese Eigenschaft, zusammen mit ihrer Größe und der aus den ALMA-Beobachtungen abgeleiteten Dichte legen nahe, daß es die zirkumnukleare Scheibe ist. Dies ist das erste Objekt, für das sowohl Chandra als auch ALMA den schwer zu fassenden Torus identifiziert haben; von zusätzlicher Bedeutung ist der Umstand, daß die beiden Beobachtungen die jeweiligen Bereiche der Röntgen- und der Millimeter-Wellenlängen abdecken. In der Regel tasten diese weit auseinanderliegenden Bänder entweder extrem heißes oder extrem kaltes Material ab, das aus sehr unterschiedlichen Regionen stammt, doch ein AGN führt zu einer sehr komplexen Umgebung.
Literatur:
“Chandra Detection of the Circumnuclear Molecular Torus of the Compton-thick Active Galactic Nucleus in NGC 5643”
G. Fabbiano, A. Paggi, A. Siemiginowska, and M. Elvis
The Astrophysical Journal Letters, 869, L36, 2018
oder
arXiv1812.02764v1
[astro-ph.HE]