Ionisierte Moleküle spiegeln galaktische Abströmungen wieder (Originalartikel vom 18.03.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Die Galaxie Markarian 231, der zur Erde nächstgelegene Quasar, wie vom Hubble-Weltraum-Teleskop gesehen. Die Galaxie ist das Produkt der Verschmelzung zweier Galaxien. Astronomen haben die Signaturen der ionisierten Moleküle OH+ und H2O+ in einer gewaltigen Abströmung dieser Galaxie entdeckt und bringen Argumente dafür an, daß durch Stoß ausgelöste kosmische Strahlung für die Ionisation der Moleküle verantwortlich ist. NASA, ESA, the Hubble Heritage Team STScI / AURA-ESA / Hubble Collaboration, and A. Evans, University of Virginia, Charlottesville / NRAO / Stony Brook University


 
In den meisten Galaxien ist ein Prozeß am Werk, der sowohl die Masse des zentralen Schwarzen Lochs als auch die großräumige Geschwindigkeitsverteilung und Leuchtkraft der Galaxie beeinflußt. Astronomen vermuten, daß irgendeine Art Rückkopplung beteiligt ist, und ein gefragter Mechanismus ist abströmendes Gas. Die Abströmung würde einer Galaxie das Rohmaterial entziehen, das für die Entstehung neuer Sterne und für das Anwachsen der Masse des Schwarzen Lochs benötigt wird. Der erste Hinweis auf molekulare Abströmungen wurde vor rund zwanzig Jahren durch einen Infrarot-Satelliten entdeckt: das Molekül OH zeigte nach außen gerichtete Bewegungen von Tausenden von Kilometern pro Sekunde durch seine Emissionslinien im fernen Infrarot an. Das Herschel-Weltraum-Observatorium wiederholte kürzlich sehr ausführlich diese Messungen und fand, daß in einigen extremen Fällen gewaltige Abströmungen mehr als tausend Sonnenmassen pro Jahr befördern und eine Leistung von hundert Milliarden Sonnen besitzen – einige Prozent der gesamten galaktischen Strahlungsenergie.
Die CfA-Astronomen Eduardo Gonzalez-Alfonso, Matt Ashby und Howard Smith haben jetzt mit Kollegen entdeckt, daß das ionisierte Molekül OH+ das heiße Gas in diesen Abströmungen und (vermutlich) auch Torusmaterial, welches das Schwarze Loch umgeben soll, wiedergibt. Die Wissenschaftler leiteten ein Team, das drei im fernen Infrarot gelegene Linien von OH+ und eine des ionisierten Wassermoleküls H2O+ in der Galaxie Markarian 231 untersuchte. Diese Linien stützen einen Großteil der Ergebnisse aus den Untersuchungen am neutralen molekularen Gas; doch das ungewöhnlichste Resultat war die immense Häufigkeit an ionisiertem Material, nahezu 10% des neutralen Gases. Die Forscher können das Vorkommen von so viel ionisiertem Material nicht erklären, weder mit der von heißen Sternen abgegebenen ultravioletten Strahlung noch mit Röntgenstrahlung – man leitet das Zehntausendfache des in der Milchstraße vorkommenden ionisierten Materials ab. Die Astronomen folgern vielmehr, daß kosmische Strahlung, die durch wiederholte Beschleunigung in Stoßfronten aus der Sternentstehung oder ähnlicher Prozesse mit Energie versorgt wird, für den hohen Ionisationsgrad verantwortlich ist. Eine zusätzliche Folge hieraus ist, daß heftige Schockfronten die Galaxie durchlaufen müssen und für andere beobachtbare Phänomene, wie das Aufheizen von weiterem Gas, verantwortlich sein sollten.
Literatur:
„Outflowing OH+ in Markarian 231: The Ionization Rate of the Molecular Gas“
E. González-Alfonso, J. Fischer, S. Bruderer, M. L. N. Ashby, H. A. Smith, S. Veilleux, H. S. P. Müller, K. P. Stewart, and E. Sturm
The Astrophysical Journal 2018 (in press)
oder
arXiv:1803.04690v1 [astro-ph.GA] 13 Mar 2018