Gravitativer Selbstlinseneffekt von Systemen mit zwei massereichen Schwarzen Löchern

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Eine Aufnahme des Rubin-Observatoriums. Astronomen haben berechnet, daß dessen optische Himmelsdurchmusterung in Galaxien Anzeichen auf bis zu einhundert binären Systemen aus massereichen Schwarzen Löchern entdecken sollte, da ihr Licht infolge des gravitativen Selbstlinseneffekts fluktuiert.
Vera C. Rubin Observatory

Ein „massereiches“ Schwarzes Loch (MBH = massive black hole) liegt vor, wenn dessen Masse mehr als ungefähr einhunderttausend Sonnenmassen beträgt. MBHs liegen in den Zentren der meisten Galaxien; wenn sie rastlos Gas und Staub auf ihr umgebendes heißes Scheibenumfeld akkretieren, senden sie im gesamten elektromagnetischen Spektrum Strahlung aus und sind als aktive galaktische Kerne klassifiziert. Die meisten Galaxien sind während ihrer Lebensspanne in eine Fusion mit einer anderen Galaxie verwickelt gewesen (diese Wechselwirkungen sind sogar ein wichtiger Abschnitt in der Galaxienentwicklung), und wenn sie verschmelzen, können ihre beiden MBHs ein Binärsystem bilden, in welchem sie sich gegenseitig umkreisen. Allerdings sind solche Doppelsysteme selten; theoretische Abschätzungen besagen, daß nur ungefähr eine unter tausend aktiven Galaxien ein MBH-Binärsystem beherbergt. Dennoch denken Astronomen, daß das Auffinden von MBH-Binärsystemen möglich ist. Doppelte MBHs sind erfolgversprechende Quellen für Gravitationswellen, die nachweisbar sein sollten, wenn sie an Pulsaren vorbeilaufen und dabei die zeitliche Abfolge der präzis gepulsten Radiostrahlung verzerren. Darüber hinaus sollen binäre MBHs, die Material akkretieren, schwache elektromagnetische Signale über das gesamte Spektrum abgeben. Aber bis jetzt ist keiner dieser Effekte entdeckt und keine binären MBHs zweifelsfrei gefunden worden.

CfA-Astronomin Rosanne Di Stefano und ihre Kollegen haben eine dritte Methode, um binäre MBHs zu erkennen, mit Hilfe einer Technik gefunden, die Di Stefano und ihre Kollegen erstmals 2018 vorgestellt haben. Sie schlagen vor, im Signal von sichtbarem Licht, das durch in ihre umgebenden Scheiben einströmendes Material abgestrahlt wird, nach Änderungen auf Grund des durch die MBHs verursachten Gravitationslinseneffekts zu suchen. Sich ändernde Lichtkurven sind erfolgreich genutzt worden, um beispielsweise Gravitationslinseneffekte von Exoplaneten zu entdecken, da sie Licht von einem Hintergrundstern verzerren. Die Wissenschaftler verwenden die zur Beschreibung der Galaxienentwicklung entworfene Computersimulation Illustris, um die Häufigkeit, Ausrichtung, Akkretion und andere Eigenschaften von binären MBHs abzuschätzen. Die Astronomen prognostizieren, auf den Möglichkeiten des Legacy Survey of Space and Time des Rubin-Observatoriums beruhend, daß zweifelsfrei zwischen zehn und einhundert MBHs mit gravitativem Selbstlinseneffekt entdeckt werden könnten, selbst nach Einbeziehung zahlreicher erschwerender Effekte wie Verdunklung durch Staub und intrinsischer AGN-Veränderlichkeit. Die Resultate wären vielsagend, nicht nur als Hilfe, um die Existenz von binären MBH-Systemen zu beweisen, sondern auch bei Studien von Bahnparametern und der Akkretionsaktivität dieser Objekte.

Literatur:

„Gravitational Self-Lensing in Populations of Massive Black Hole Binaries“

Luke Zoltan Kelley, Daniel J. D’Orazio and Rosanne Di Stefano

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 508, 2524, 2021

oder

arXiv:2107.07522v1 [astro-ph.HE] 15 Jul 2021