Gezeitenerwärmung

Paul M. Sutter in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

In dieser Serie erkunden wir die sonderbare, doch auch wunderbare Welt der astronomischen Fachsprache! Das Thema heute: Gezeitenerwärmung!

Die Gezeitenerwärmung tritt auf, wenn die Schwerkraft eines Objekts stark genug ist, um einen Planeten oder Mond in seiner Umlaufbahn zu kneten und zu verformen.

Alle sich umkreisenden Objekte verursachen wechselseitig Gezeiten. Das bekannteste Beispiel ist der Mond, der die Gezeiten der Ozeane (und der Kontinente) auf der Erde verursacht. Allerdings ist der Mond zu klein, um etwas anderes als ein sanftes Heben und Senken der Ozeane unseres Planeten zu bewirken. Die Erde verursacht auch Gezeiten auf dem Mond, doch dieser Effekt ist so stark, daß, als der Mond geschmolzen war, diese Gezeiten an Ort und Stelle „eingefroren“ wurden. Dadurch wurde der Mond gezwungen, der Erde bis in alle Ewigkeit immer die gleiche Seite zu zeigen.

Gezeitenerwärmung tritt auf, wenn ein großes Objekt ein kleineres Objekt in eine gebundene Rotation zwingen möchte, aber daran gehindert wird. Die berühmtesten Beispiele treten bei den vier Galileischen Monden des Jupiters auf.

Der innerste Mond des Jupiters ist Io, und unter normalen Bedingungen hätte er sich schon vor langer Zeit in einer gebundenen Rotation verfangen. Aber auch die anderen Monde üben einen Gravitationseinfluß auf Io aus, wodurch sich seine Umlaufbahn ständig verschiebt. Jupiter verursacht auf Io während dessen Umlauf also die Gezeiten an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten.

Stell dir vor, du nimmst eine Teigkugel, ziehst sie auseinander und drückst sie dann zusammen. Dann dehnst du ihn in eine andere Richtung und drückst ihn wieder zusammen. Du wendest Energie auf den Teig an, und der größte Teil dieser Energie fließt in die Verformung des Teigs. Ein Teil der Energie geht jedoch durch das ständige aneinander reiben der Teigmoleküle, die innere Reibung, als Wärme verloren.

Der gleiche Prozess findet auch auf Io statt, allerdings wirkt die Schwerkraft des Jupiters wie die Hände, die den Planeten formen. Der Effekt ist so stark, daß Io neben der Erde die einzige andere Welt im Sonnensystem ist, auf der es aktive Vulkane gibt.

Der gleiche Prozess findet beim zweiten Mond des Jupiters, Europa, statt. Der Effekt ist jedoch geringer, so daß die Kruste von Europa gefroren bleibt, während nur das Innere schmilzt, wodurch ein weltumspannender Ozean aus flüssigem Wasser entsteht.