Dr. Ilka Petermann, Argelander-Institut Bonn
Einem internationalen Astronomenteam ist es mit dem Very Large Telescope (VLT) gelungen, den ältesten bekannten ‘Sonnenzwilling’ mit großer Genauigkeit zu untersuchen. Mit seinen 8.2 Milliarden Jahren ist ‘HIP102152’ gut 3.6 Milliarden Jahre älter als unsere Sonne. Seine große Ähnlichkeit mit unserem Zentralgestirn erlaubt es, dessen zukünftige Geschichte besser zu verstehen.
Beim Blick in den nächtlichen Himmel sieht man immer nur eine Momentaufnahme des Sternenlebens. Selbst wenn man alle Daten seit der ‘Stunde Null’, der Einführung des Galilei-Fernrohrs, sammelt, würde man gerade einmal gut 400 Jahre mit Beobachtungen abdecken. Ein winziger Bruchteil der Lebensdauer eines Sterns: Sterne von der Gewichtsklasse unserer Sonne können es auf etwa 14 Milliarden Jahre bringen. Will man also verschiedene ‘Lebensabschnitte’ untersuchen, muss man Sterne gleicher Art in unterschiedlichem Alter finden. Die längste Zeit seines Lebens, etwa 90 %, verbringt der Stern mit der Fusion von Wasserstoff zu Helium, was dem Stern die nötige Energie liefert, um nicht unter seiner eigenen Gravitation zusammenzufallen. Das Helium ist dem Stern ungefähr das, was dem Menschen die Falten sind – ein untrügliches Merkmal des Älterwerdens. Im Sterninneren verbrennt der Wasserstoffvorrat immer weiter zu Helium. Es sammelt sich im Inneren an, bis nicht mehr genügend Wasserstoff vorhanden ist, um die Fusion am Leben zu erhalten. Der Strahlungsdruck und die Gravitation geraten aus dem Gleichgewicht und der Stern kontrahiert. Er verlässt nun seine ruhige Wasserstoffbrenn-Ära, die sogenannte ‘Hauptreihe’. Unsere Sonne wird dann – mit gut 11 Milliarden Jahren, zum Roten Riesen um nach einer kurzen, unruhigen Phase den Ruhestand als Weißer Zwerg zu begehen. Bis dahin hat unsere Sonne aber noch ein langes Arbeitsleben vor sich, sie ist gerade einmal bei der Hälfte der Hauptreihenzeit angekommen. HIP102152 ist beim Wasserstoffbrennen schon erheblich weiter fortgeschritten, er wird die Hauptreihe bald verlassen und zum Roten Riesen werden.
Der Begriff eines Sonnen-‘Zwillings’ mag zuerst verwundern, denkt man dabei doch erst mal in die Richtung ‘doppeltes Lottchen’ – gleiche Herkunft, gleiches Alter, gleiches Aussehen. In der Astrophysik dagegen bezeichnet der Begriff solche Sterne, die in ihrer Masse, chemischen Zusammensetzung und ihrer Leuchtkraft sehr gut übereinstimmen. Sterne, die dagegen nur moderate und gute Übereinstimmungen zeigen, werden oft als ‘Sonnentyp’ und ‘Sonnenanalog’ bezeichnet. Sie sind erheblich leichter zu finden und entsprechend lang ist die Liste der entfernteren Sonnenverwandten.
Dagegen sind seit der ersten Entdeckung eines Sonnenzwillings im Jahr 1997 nur sehr wenige weitere gefunden worden. Umso wichtiger ist eine präzise Bestimmung ihrer Eigenschaften. Mit dem UVE-Spektrographen des VLT am Paranal-Observatorium der ESO in Chile steht den Astronomen solch ein Instrument zur Verfügung.
Ein anderer Sonnenzwilling, 18 Scorpii, wurde 2012 entdeckt. Hier sehen wir allerdings nicht in Richtung stellares Rentenalter, sondern werfen einen Blick in die Kindheit: gerade einmal 2.9 Milliarden Jahre ist 18 Scorpii jung. Als unsere Sonne in diesem Alter war, war die Erde noch ein recht unwirtlicher Ort – im Erdzeitalter des ‘Präkambrium’ hat sich höchstens schon der eine oder andere Einzeller über Sonnenstrahlen freuen können.
Bei der Suche nach Sonnenzwillingen sucht man auch nicht nach Sternen mit gemeinsamem Ursprung (HIP102152 etwa ist 250 Lichtjahre von der Sonne entfernt), sondern interessiert sich für solche Sterne, die ein gleiches Ende wie die Sonne vermuten lassen.
Das ist neben der reinen Neugierde auch von großem Interesse für die Forschung, denn so können die astrophysikalischen Modelle, die man sich von der Evolution der Sonne macht, überprüft werden. Hierbei haben die Astronomen zum Beispiel entdeckt, dass der Lithium-Anteil von HIP102152 erheblich kleiner ist als der der Sonne.
Die spektrale Region um die Lithium-Doppellinie bei einer Wellenlänge von 6708 Å für HIP 102152 und 18 Scorpii. Die Sternspektren sind durch Kreise dargestellt. Das Spektrum der Sonne ist als durchgezogene Linie in beiden Darstellungen über die Sternspektren gelegt, um den Verlust an Lithium mit fortschreitendem Alter optisch kenntlich zu machen. Der Einschub zeigt das künstliche Spektrum (durchgezogene Linie), das dazu genutzt wurde, die Lithium-Häufigkeit auf HIP 102152 abzuschätzen.
Diagramm aus: TalaWanda R. Monroe at al., 2013, “High Precision Abundances of the Old Solar Twin HIP 102152: Insights on Li Depletion from the Oldest Sun”, Astrophysical Journal Letters Vol. 774, Number 2, page 18. [DOI:10.1088/2041-8205/774/2/L32; arXiv:1308.5744v1 / astro-ph]
Das könnte bedeuten, dass Lithium im Laufe der Sternentwicklung zerstört wird – ein genauer Prozess hierfür ist allerdings noch nicht völlig verstanden. Eine andere These besagt, dass ein niedriger Lithium-Gehalt ein Indiz für das Vorhandensein von Gesteinsplaneten sein könnte – und das würde den ältesten Zwilling unserer Sonne noch ein wenig ähnlicher sein lassen.
Warum sich Astrophysiker für jeden stellaren Lithium-Fund begeistern können… steht im nächsten Artikel.