Erdnahe Asteroidenpaare (Originalartikel vom 08.11.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine zusammengesetzte Aufnahme des erdnahen Asteroiden 101955 Bennu von der Raumsonde OSIRIS-Rex aus gesehen. Astronomen sind kürzlich in zwei Fällen zu dem Schluß gekommen, daß Paare von erdnahen Objekten physisch („genetisch“) verwandt sind und der ursprüngliche Elternasteroid vor weniger als zehntausend Jahren auseinandergebrochen ist.
NASA/OSIRIS-REx

Erdnahe Objekte (Near Earth Objects = NEOs) sind kleine Körper im Sonnensystem, deren Umlaufbahnen sie manchmal nahe an die Erde heranbringen, was sie zu einer Gefahrenquelle durch mögliche Kollisionen macht. NEOs liefern aber auch Hinweise auf die Zusammensetzung, Dynamik und Umgebungsbedingungen des frühen Sonnensystems und seiner Entwicklung, und da sie sich relativ nah bei der Erde aufhalten, bieten sie sich für astronomische Messungen an. Die meisten NEOs sind bei der Suche im sichtbaren Licht entdeckt worden, doch ein wichtiger Parameter des NEO’s, seine Größe, kann gewöhnlich nicht durch optische Messungen alleine bestimmt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß es sich bei dem optischen Licht eines NEO’s um reflektiertes Sonnenlicht handelt und ein Objekt kann hell sein, weil es groß oder weil es ein hohes Reflexionsvermögen besitzt. Ein Team des CfA hat die Infrarotkamera IRAC an Bord von Spitzer eingesetzt, um NEO-Emissionssignale im Infraroten zu messen, wodurch man eine unabhängige Messung ihrer Abmessung erhält.

CfA-Astronom Joe Hora ist Mitglied in einem Team von Wissenschaftlern, die erkannten, daß vier kürzlich untersuchte NEOs in Wirklichkeit zwei Objektpaare sind, bei dem jedes Paar aus zwei „genetisch verwandten“ Asteroiden gleichartiger Zusammensetzung und Größe besteht. Daß es sich um Paare handelt wurde bestätigt, als mit optischer und Nahinfrarot-Spektroskopie feststellt wurde, daß sich jeder der beiden NEOs so ähnlich war – sie bestehen aus entwässertem und an flüchtigen Bestandteilen armem Gestein – daß dies eine gemeinsame Herkunft nahe legte. Es stellte sich nun die Frage: Was führte zu ihrer Entstehung? Thermische Fragmentierung ist für Objekte dieser Zusammensetzung unwahrscheinlich, gleichzeitig sind ein Zerbrechen durch Gezeitenkräfte oder die Entstehung infolge einer Kollision auf Grund der durch Modellieren gewonnen Umlaufbahnen durch das Sonnensystem genauso unwahrscheinlich.

Die Wissenschaftler legen dar, daß als Ursache für das Auseinanderbrechen aller Voraussicht nach der YORP-Mechanismus anzusehen ist, eine Abkürzung, die sich aus den Nachnamen der vier Wissenschaftler herleitet, die diesen Mechanismus im 19. Jahrhundert vorgeschlagen haben. Der Mechanismus beschreibt die sich beschleunigende Umdrehung eines Asteroiden als Ergebnis einer ungleichmäßigen Reflexion und Abstrahlung von Photonen. Photonen besitzen Impuls und wenn ein Asteroid nicht einheitliche Oberflächeneigenschaften besitzt, können die abströmenden Photonen die Rotation des Asteroiden allmählich beschleunigen, bis er am Ende zerbricht. Das Team schätzt, daß beide NEO-Paare vermutlich vor weniger als ungefähr zehntausend Jahren auseinanderbrachen und sie so mit zu den jüngsten bekannten, mehrteiligen Asteroidensystemen macht. Die Astronomen erwarten, daß weitere NEO-Paare gefunden werden und daher ein ideales Labor zur Untersuchung zeitabhängiger Entwicklungsprozesse liefern, die wichtig für Asteroiden überall im Sonnensystem sind.

Literatur:

„A Common Origin for Dynamically Associated Near-Earth Asteroid Pairs“

Nicholas A. Moskovitz, Petr Fatka, Davide Farnocchia, Maxime Devogèle, David Polishook, Cristina A. Thomas, Michael Mommert, Louis D. Avner, Richard P. Binzel, Brian Burt, Eric Christensen, Francesca DeMeo, Mary Hinkle, Joseph L. Hora, Mitchell Magnusson, Robert Matson, Michael Person, Brian Skiff, Audrey Thirouin, David Trilling, Lawrence H. Wasserman, Mark Willman

Icarus, 333, 165, 2019

oder

arXiv:1905.12058v1 [astro-ph.EP] 28 May 2019