Eine neue Betrachtungsweise für Aktive Galaktische Kerne

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine optische Aufnahme der nah gelegenen Seyfert-Galaxie NGC 4945. Nahezu von der Kante her sichtbar, sind die Zentralregion dieser Galaxie und deren Aktivität durch einen Staubtorus verdeckt. Neue Ergebnisse deuten darauf hin, daß die verschiedenen Formen beobachtbarer Morphologien bei Seyfert-Galaxien sich nicht nur aus der Sichtbeeinträchtigung und den Auswirkungen des Beobachtungswinkels ergeben, sondern auch Folge einer unterschiedlich starken Aktivität im Zentralbereich ist. 2P2 Team, WFI, MPG/ESO 2.2-m Telescope, La Silla, ESO


 
Seyfert-Galaxien sind gewöhnlichen Galaxien wie unserer eigenen Milchstraße ähnlich, mit Ausnahme eines entscheidenden Aspekts: ihre Zentralbereiche sind unglaublich hell, unter extremen Umständen so leuchtkräftig wie 100 Milliarden Sonnen. Astronomen nehmen an, daß diese gewaltigen Energiemengen in solchen aktiven galaktischen Zentren durch Prozesse rund um deren massereichen Schwarzen Löcher erzeugt werden. Während Materie in Richtung der Umgebung des Schwarzen Lochs fällt, heizt sie sich auf und strahlt intensiv. Die Milchstraße hat in ihrem Zentrum ebenfalls ein Schwarzes Loch und es gibt Anzeichen, daß sehr spärlich Materie in seine Richtung fällt; aber aus Gründen, die nicht verstanden sind, ist das Zentrum unserer Galaxis nicht besonders hell, wenn man es mit ihren Stern gefüllten Spiralarmen vergleicht.
Optische Beobachtungen zeigen, daß es den Aufbau betreffend zwei Arten von Seyfert-Galaxien gibt: einige mit kräftigen Spektrallinien, durch angeregte, sich mit hohen Geschwindigkeiten bewegende Atome verursacht, andere ohne diesen charakteristischen Nachweis ihrer Strahlung. Die gängigste Erklärung ist gewesen, daß beide Objektarten in Wirklichkeit gleich sind und in beiden starke Akkretion im Gang ist, aber im letzten Fall ein Torus (oder Scheibe) aus Staub um das Zentrum das Licht dieser Atome verdeckt, wenn die Galaxie von der Erde aus zufällig von der Kante her zu sehen ist. Nach dieser Deutung sind die unterschiedlichen Arten von Seyfert-Galaxien einfach ein Abbild ihrer unterschiedlichen Ausrichtung am Himmel. Diese Vorstellung vereinfacht das allgemeine Schema der Galaxienarten.
Dieses Modell erhielt starken Rückhalt, als Astronomen in der Lage waren, schwache Hinweise auf diese charakteristische Strahlung in einigen Galaxien, die von der Kante her zu sehen sind, zu entdecken mit der Folgerung, daß Strahlung aus einem unsichtbaren, aber aktiven Gebiet an den Polen des abschottenden Torus drang und in unsere Richtung gestreut wurde. Das Problem war jedoch, daß mit Hilfe empfindlicherer Beobachtungen mittlerweile eine größere Auswahl an Seyfert-Galaxien untersucht wurde und man herausfand, daß viele von ihnen in keine der beiden Gruppen passen. Nur ungefähr die Hälfte der hellen, namentlich auf Kante stehenden Seyfert-Galaxien zeigt tatsächlich irgendeinen Hinweis auf gestreute Strahlung aus einer abgeschatteten, inneren Region. Als Folge davon haben Wissenschaftler für etwa zehn Jahre Hinweise darauf gesammelt, daß mehr als nur die Geometrie für die Unterschiede dieser Galaxien verantwortlich ist.
Andrea Marinucci, Fabrizio Nicastro und Andy Goulding vom CfA haben gemeinsam mit zwei weiteren Astronomen eine neue Arbeit veröffentlicht, in der sie zu dem Ergebnis kommen, daß in diesen galaktischen Zentren vermutlich weit mehr abläuft und das die übliche Betrachtungsweise verbessert werden muß. Sie erstellten eine vergleichsweise große Stichprobe von neunund-dreißig Seyfert-Galaxien, die man für auf Kante stehend hält und für die eine große Menge an Daten zur Verfügung stand. Die Stichprobe bestand aus zwei Gruppen: die eine Hälfte bestand aus Quellen, die Hinweise auf schwache, gestreute Strahlung aus der Region im Zentrum zeigen; die andere Hälfte liefert keine derartigen Merkmale. Die Wissenschaftler verglichen Röntgen- und optischen Daten der Stichproben, die abgeleiteten Massen ihrer Schwarzen Löcher und ihre Leuchtkräfte.
Die Astronomen entdeckten, daß jede der beiden Galaxiengruppen unterschiedliche, aber in sich übereinstimmende Merkmale besaß. Lebhafte Akkretion war nur in der Stichprobe im Gange, welche die schwache, charakteristische Strahlung zeigt; in der anderen Gruppe fehlte dieses gestreute Licht nicht etwa, weil der Torus undurchlässig war, sondern dort war nur geringe oder keine Aktivität im Gange, das durch ihre geringeren Leuchtkräfte als auch einige andere Eigenschaften belegt wurde. Diese Folgerungen müssen mit größeren Stichproben bestätigt werden, aber die Resultate weisen darauf hin, daß Einzelheiten des/der Akkretionsmechanismus(en) bei der Eingruppierung der Seyfert-Galaxien mit einbezogen und möglicherweise auch auf andere Galaxien mit Aktivität um ihre zentralen Schwarzen Löcher übertragen werden müssen.